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Amtsgericht Erding

Justiz ist für die Menschen da – Recht Sicherheit Vertrauen

Pressemitteilung 4 vom 24.08.16

Schadensersatz wegen Flugverspätung infolge eines defekten Bordkartenlesegeräts

Geht eine Fluggesellschaft wegen eines defekten Bordkartenlesegeräts irrtümlich davon aus, dass noch nicht alle Passagiere an Bord sind und verzögert sich dadurch der Abflug, weshalb das Flugzeug für einen weiteren Flug nicht rechtzeitig zur Verfügung steht, so haben die Passagiere des Folgeflugs einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung wegen der Verspätung gegen die Fluggesellschaft.

Die Kläger hatten für 1.Juli 2015 einen Flug von Faro/Portugal nach München gebucht. Anstatt wie geplant um 15:00 h in München anzukommen erreichten die Kläger ihr 2040 km entferntes Ziel jedoch erst mit über siebenstündiger Verspätung. Der Grund für die Verspätung lag darin, dass die Maschine, mit welcher der Flug eigentlich durchgeführt werden hätte sollen, zur planmäßigen Abflugzeit noch in Tel Aviv/Israel stand, weil sie dort am Vorabend nicht vor Beginn des um 22:40 h einsetzenden Nachtflugverbots startbereit war. In Tel Aviv waren die Mitarbeiter der Fluggesellschaft nämlich irrtümlich davon ausgegangen, dass zum Ende der Boardingzeit noch 16 Passagiere für den Flug nach Faro fehlten, weshalb man sich in den Duty-Free-Läden und den Restaurants des Flughafens auf die Suche nach ihnen machte.

Diesen Aufwand betreiben Airlines, wenn Passagiere nicht an Bord sind, deren Gepäck bereits eingecheckt ist. Aus Sicherheitsgründen ist es nämlich nicht erlaubt mit Passagierflugzeugen das Gepäck einer Person, die für den Flug gebucht ist, zu transportieren, wenn diese Person nicht an Bord des Flugzeugs ist. Erscheinen bereits eingecheckte Personen nicht am Flugsteig, um ihren Platz im Flugzeug einzunehmen, so muss ihr Gepäck aus dem Laderaum des Flugzeugs wieder entfernt werden, was regelmäßig mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden ist. Mitunter kommt dies vor, weil Passagiere wegen plötzlich auftretender gesundheitlicher Beschwerden nicht in der Lage sind den Flug anzutreten. Es sind aber auch Fälle bekannt, in denen Passagieren das Boarding verweigert wurde, weil sie in einem stark alkoholisierten Zustand am Gate erschienen und es ein Sicherheitsrisiko bedeutet hätte, sie mitzunehmen.

Im vom Amtsgericht zu entscheidenden Fall konnte die Absuche des Flughafens nach den vermissten Fluggästen jedoch nicht erfolgreich sein, denn alle Passagiere hatten sich tatsächlich rechtzeitig an Bord eingefunden, was die Besatzung jedoch erst feststellte als es im Hinblick auf das einsetzende Nachtflugverbot zu spät war, um zu starten. Wie sich herausstellte war das elektronische Bordkartenlesegerät am Gate defekt gewesen und hatte das Boarding der vermeintlich fehlenden Fluggäste schlicht nicht registriert – wie man sehen musste, mit weitreichenden Konsequenzen für den übrigen Flugplan am Folgetag.

Das Amtsgericht entschied, dass ein defekter Borkartenscanner kein außergewöhnlicher Umstand sei, der die Airline von ihrer Zahlungspflicht nach der Europäischen Fluggastrechteverordnung befreit hätte. Schließlich hätte man sich durch einfaches Zählen der Passagiere an Bord des Flugzeugs rasch Gewissheit darüber verschaffen können, ob tatsächlich 16 Passagiere fehlten.

Die beklagte Airline akzeptierte das Urteil jedoch nicht und legte dagegen Berufung ein, woraufhin das Landgericht Landshut den Fall prüfte und der Fluggesellschaft den Hinweis erteilte, dass es die Sach- und Rechtslage ebenso bewerte wie das Amtsgericht. Die Beklagte zog ihre Berufung zurück. Das Urteil des Amtsgerichts ist rechtskräftig.

Urteil des Amtsgerichts Erding vom 26.11.2015, Az. 3 C 2287/15