Pressemitteilung 16 vom 30.09.2020
Urteil im Fußballverfahren
Heute hat die auf Kartellrecht spezialisierte 37. Zivilkammer in dem einstweiligen Verfügungs-verfahren eines Münchner Fußballvereins (Türkgücü) gegen den Bayerischen Fußball-Verband e.V. (BFV) und den Deutschen Fußball-Bund e.V. (DFB) (Az. 37 O 11770/20) seine am 11.09.2020 erlassene einstweilige Verfügung teilweise aufgehoben und abgeändert:
Die Kartellkammer hat dem BFV in ihrem heutigen Urteil aufgegeben, die Meldung des 1. FC Schweinfurt 05 zu widerrufen und über die Meldung zur 1. DFB-Pokalhauptrunde unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Das Landgericht München I hat die Nominierungsentscheidung an den BFV zurückgegeben. Damit ist zum einen der Anspruch der Kläger auf eine rechtmäßige Nominierungsentscheidung gesichert. Zum anderen ist hierdurch der geringst mögliche Eingriff in die Verbandsau-tonomie verbunden, so die Vorsitzende Richterin, Dr. Gesa Lutz, in ihrer mündlichen Urteils-begründung.
Die Kammer sah den Eilrechtsschutz als zulässig an und in dem Eilantrag der Verfügungskläger auch keine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache.
Der Antrag hatte auch in der Sache überwiegend Erfolg:
BFV und DFB unterliegen als Monopolverbände einer kartellrechtlichen Kontrolle. Entscheidungen, die Rechtspositionen von Mitgliedern berühren, sind daher gerichtlich überprüfbar. Im Rahmen der Verbandsautonomie hat der BFV einen Beurteilungsspielraum und eine Einschätzungsprärogative zugute. Verbände müssen sich jedoch an ihre eigenen Regelungen halten. Ihre Entscheidungen müssen nach allgemeinen Auslegungs- und Rechtsanwendungsregeln zutreffend sein. Ermessenentscheidungen können auf richtige Ausübung des Ermessens zu überprüft werden.
Bei ihrer Auslegung hat die Kammer die Unsicherheiten berücksichtigt, die im Zeitpunkt der Änderung der Spielordnung vom 05.05.2020 bestanden: Es stand im Zeitpunkt der Satzungsänderung nicht fest, wann in den unterschiedlichen Ligen der Spielbetrieb fortgesetzt werden kann, ob die Saison überhaupt zu Ende gespielt werden würde und wenn ja in welcher Form und wann die Meldefristen für die 3. Liga und für den DFB-Pokal enden würden. Dass dies für die Beteiligen eine schwierige Situation war, in der sie im Interesse der Mitglieder, des Verbandes und des Fußballs nach guten Lösungen gesucht haben, war der Kammer bei ihrer Entscheidung sehr bewusst. Dies ist auch in der Verhandlung am Montag nochmal deutlich geworden.
Trotzdem muss eine Nominierungsentscheidung im Rahmen anerkannter Auslegungsgrundsätze auf die Satzung oder Nebenordnungen gestützt werden können und begründet sein. Daran fehlt es hier.
Soweit der Präsident des BFV in der mündlichen Verhandlung vom 28.09.2020 erstmals konkret sachliche Gründe und Hintergründe für getroffene Regelung angegeben hat, die von den Meldezeitpunkten unabhängig sind, ändert dies an der Entscheidung nichts. Diese Erwägungen sind, laut der 37. Zivilkammer, nicht objektiv erkennbar in den Vorstandsbeschluss vom 05.05.2020 eingeflossen und können daher zur Auslegung nicht herangezogen werden.
Der BFV kann seine Nominierungsentscheidung auch nicht auf § 68 Nr. 7 Abs. 2 der Spielordnung in der Fassung vom 01.09.2020 stützen. Diese Änderung der Spielordnung hält einer kartellrechtlichen Überprüfung nicht Stand und ist daher nichtig.
Zwar steht es dem BFV frei, im Rahmen seiner Satzungsautonomie seine Satzung erneut und kurzfristig zu ändern. Eine Entscheidung, die nachträglich die Qualifizierungsbedingungen ändert, jedoch auf die fehlerfreie Ausübung des Ermessens zu überprüfen. Der BFV hat sich nach den Vorstandsprotokollen zur Begründung ausschließlich darauf berufen, die Neufassung diene der Klarstellung und drücke das ursprünglich Gewollte aus. Diese Erwägung trägt aber nicht, da der Spielordnung von Mai diese Auslegung gerade nicht zulässt. Damit geht die Berufung auf eine Klarstellung ins Leere mit der Folge, dass keine fehlerfreie Ermessensausübung vorliegt.
Der BFV hat nun zwei Möglichkeiten:
Entweder er benennt Türkgücü auf der Grundlage der Spielordnung vom 5. Mai 2020 oder er ändert kurzfristig die Spielordnung erneut. Dabei sind laut Gericht die Interessen aller Betroffenen zu würdigen und der gefundene Ausgleich ist zu begründen. Auf dieser Basis könnte sodann die Meldung erfolgen. Der DFB wurde durch die Kammer verpflichtet, den Widerruf und die Neumeldung durch den BFV zuzulassen.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig, Verfügungskläger- und der Beklagtenseite können Berufung vor dem Oberlandesgericht München einlegen.
Verfasserin der Pressemitteilung:
Richterin am Landgericht München I Dr. Anne-Kristin Fricke – Pressesprecherin -