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Oberlandesgericht München

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Pressemitteilung 23 vom 08.06.15

Vorerst keine Entschädigung für den als sog. Parkhaus-Mörder verurteilten B.T. wegen überlanger Dauer seines Wiederaufnahmeverfahrens

Oberlandesgericht München setzt Entschädigungsverfahren aus

B.T. war durch Strafurteil vom 12.8.2008 vom Landgericht München I wegen Mordes und Diebstahls in drei Fällen zu lebenslanger Haft mit besonderer Schwere der Schuld verurteilt worden. Seine Revision blieb erfolglos. Der Verurteilte befindet sich seit 28.4.2009 in Strafhaft.
Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 1.10.2012, eingereicht beim Landgericht München I, beantragte er unter anderem, die Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahrens für zulässig zu erklären und die laufende Strafhaft mit sofortiger Wirkung zu unterbrechen. Der Wiederaufnahmeantrag wurde vom Landgericht Augsburg mit Beschluss vom 5.12.2014 als unzulässig verworfen; der Antrag auf Unterbrechung der lebenslangen Freiheitsstrafe wurde als unbegründet zurückgewiesen.

Der Verurteilte ist in seiner nunmehr von ihm als Kläger gegen den Freistaat Bayern gerichteten Entschädigungsklage der Auffassung, dass eine Verzögerung des Wiederaufnahmeverfahrens insgesamt über jedenfalls mehr als 15 Monate eingetreten sei, die der Kläger nicht zu vertreten habe. Geltend gemacht wird die gesetzliche Entschädigung in Höhe von 100 EURO pro Monat der Verzögerung (vgl. § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG), insgesamt ein Betrag von 1.500,00 EURO.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Klage mangels wirksamer Verzögerungsrüge bereits unzulässig und in jedem Fall auch unbegründet sei.

Der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München, der in der Entschädigungssache am 07.05.2015 bereits Beweis erhoben hatte, hat nunmehr durch Beschluss vom 08.06.2015 das Entschädigungsverfahren nach § 201 Abs. 3 S. 2 GVG bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag des Klägers vom 01.10.2012 im Strafverfahren (8 Ks 401 Js 14338/12) ausgesetzt.

In den Entscheidungsgründen hat der Senat darauf hingewiesen, dass eine Aussetzung des Entschädigungsverfahrens zwingend geboten sei, soweit das strafrechtliche Ausgangsverfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist. Denn anders als in einem zivilrechtlichen Verfahren sei im Strafverfahren eine eventuell vorliegende verzögerte Behandlung bei der Strafzumessung oder auf andere Art und Weise zu kompensieren (sog. Vollstreckungslösung). Das Entschädigungsgericht habe deshalb die - insoweit vorrangige - Entscheidung des Strafgerichts abzuwarten und könne erst dann über die Frage einer verzögerten Behandlung des Ausgangsverfahrens entscheiden.
§ 201 Abs. 3 S. 2 GVG sehe zwar eine solche Regelung für das Wiederaufnahmeverfahren nicht ausdrücklich vor. Nach dem Sinn und Zweck der Norm, so der Zivilsenat, müsse diese Regelung aber auch für den Fall gelten, dass über den Antrag auf Wiederaufnahme noch nicht abschließend entschieden wurde. Sollte der Wiederaufnahmeantrag des Klägers nämlich erfolgreich sein und gemäß §§ 359 ff. StPO dazu führen, dass das ursprüngliche Strafverfahren wiederaufgenommen wird, wäre dann auch in dem wiederaufgenommenen Strafverfahren eine eventuell vorliegende verzögerte Behandlung des Wiederaufnahmeantrags zu prüfen und ggf. auszugleichen.

Im vorliegenden Fall hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts München über die sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung des Wiederaufnahmeantrags noch nicht entschieden. Zur Zeit kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass das ursprüngliche Strafverfahren wiederaufgenommen und in einem Urteil (oder in anderer Weise) die im Zivilverfahren geltend gemachte verzögerte Behandlung des Wiederaufnahmeantrags ausgeglichen wird. Die Klärung der Frage der Kompensation in einem Strafurteil könnte u.U. dazu führen, dass ein Anspruch auf Entschädigung unbegründet wäre und ist daher für den Entschädigungsprozess relevant, so dass nach Auffassung des Zivilsenats zunächst der Ausgang des Rechtsmittelverfahrens beim 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Münchens abzuwarten ist.

Da die Rechtsfrage, ob § 201 Abs. 3 S. 2 GVG auch auf das Wiederaufnahmeverfahren im Strafprozess anzuwenden ist, bisher noch nicht entschieden wurde, hat der 22. Zivilsenat in seinem Beschluss die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zugelassen.

(OLG München, Beschluss v. 08.06.2015, 22 EK 4/14)

Wilhelm Schneider
Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht
Pressesprecher des Oberlandesgerichts München für Zivilsachen