Pressemitteilung 60 vom 03.05.2018
Revisionsverfahren gegen Evans I. wegen des Verdachts des illegalen Aufenthalts im Bundesgebiet ("Freisinger Kirchenasyl")
In dem obengenannten Strafverfahren hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts München die Revision der Staatsanwaltschaft Landshut gegen das Urteil des Amtsgerichts Freising verworfen. Mit seiner Entscheidung bestätigte damit der 4. Strafsenat den Freispruch des Angeklagten.
Der Senat führte in seiner mündlichen Urteilsbegründung aus, dass der Angeklagte sich nicht wegen eines illegalen Aufenthalts strafbar gemacht habe, weil das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) während seines Aufenthalts im Kirchenasyl in eine erneute Sachprüfung der bereits rechtskräftigen Abschiebeanordnung eingetreten sei.
Diese neuerliche, auf einer Vereinbarung des BAMF mit Vertretern der katholischen und evangelischen Kirche vom 24. Februar 2015 beruhende sachliche Einzelfallprüfung nach Aufnahme in das Kirchenasyl begründe einen Anspruch des Angeklagten auf Erteilung einer Duldung. Daraus ergebe sich ein rechtliches Abschiebungshindernis, solange die Einzelfallprüfung anhalte. Dies stehe einer Strafbarkeit nach § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG für den Zeitraum der nochmaligen Sachprüfung entgegen.
Zugleich wies der Senat darauf hin, dass die Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils des Amtsgerichts Freising nicht bedeute, dass der Senat den Aufenthalt im Kirchenasyl oder die Gewährung von Kirchenasyl grundsätzlich für straffrei hält. Der Senat machte deutlich, dass das Kirchenasyl kein in der geltenden Rechtsordnung anerkanntes Rechtsinstitut ist. Kirchenasyl verbiete dem Staat daher kein Handeln und zwinge ihn auch nicht zum Dulden. Der Eintritt in ein Kirchenasyl begründe deshalb auch weder einen Anspruch des im Kirchenasyl befindlichen Ausländers auf Erteilung einer Duldung noch könne dieser sonstige ihm zustehende besondere Rechte, z.B. auf Aussetzung der Abschiebung daraus ableiten.
Der Senat betonte, dass nicht der Verzicht auf eine zwangsweise Durchsetzung der Abschiebeanordnung in Räumlichkeiten der Kirchen, sondern nur die Entscheidung des BAMF, die Abschiebeanordnung erneut zu überprüfen, die Strafbarkeit entfallen lasse. Der Senat wies abschließend darauf hin, dass der Fall anders zu bewerten wäre, wenn die Behörde das Verweilen im Kirchenasyl von Anfang an nicht oder nach Abschluss der erneuten Einzelfallprüfung nicht mehr akzeptiert und dies dem Angeklagten zur Kenntnis gegeben hätte.
Mit freundlichen Grüßen
Florian Gliwitzky
Richter am Oberlandesgericht
Leiter der Justizpressestelle bei dem Oberlandesgericht