Menü

Oberlandesgericht München

Oberlandesgericht München

Pressemitteilung 25 vom 29.04.2022

Strafverfahren gegen David H. wegen Totschlags (Tötung in einem Porsche)

Die 1. Strafkammer des Landgerichts München I hat heute den Angeklagten David H. (25) wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von 8 Jahr 6 Monaten verurteilt.

Die Entscheidung der 1. Strafkammer vom heutigen Tage erfolgte nach einem Revisionsverfahren, das beim Bundesgerichtshof geführt wurde und das zur teilweisen Aufhebung eines vorangegangenen Urteils der 2. Strafkammer des Landgerichts München I sowie zur teilweisen Rückverweisung geführt hatte. 

Der Angeklagte war in dieser Sache am 10.06.2021 von der 2. Strafkammer des Landgerichts München I wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt worden. Ferner wurde von der 2. Strafkammer die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Dieser Entscheidung lagen im Wesentlichen folgende Feststellungen zugrunde:

Seit dem Jahr 2019 stand der Angeklagte in Kontakt zu dem späteren Tatopfer, Domenik S., von dem er regelmäßig Kokain bezog. Mitte November 2019 kündigte Domenik S. eine bis dahin mit dem Angeklagten getroffene Zahlungsvereinbarung, wonach der Angeklagte die von ihm bezogenen Betäubungsmittel erst zum Monatsende zu bezahlen hatte. Domenik S. forderte von dem Angeklagten die sofortige Bezahlung eines Betrags in Höhe von 700 €. 
Da der Angeklagte in der Folgezeit die Forderung nicht beglich, forderte Domenik S. Strafzinsen in Höhe von 300 € bzw. später in Höhe von 1000 €. Seinen Zahlungsaufforderungen verlieh Domenik S. durch die Anwendung von Schlägen und durch Drohungen Nachdruck. 
Nachdem der Angeklagte den immer weiter steigenden Zahlungsverlangen nicht nachkam, forderte Domenik S. von dem Angeklagten im März 2020 schließlich einen Betrag von ca. 8.000 €. 
Der Angeklagte versprach Domenik S. daraufhin, den ausstehenden Betrag am 17. März 2020 zu bezahlen. Zu diesem Zweck traf sich der Angeklagte mit dem späteren Tatopfer noch am selben Tag. 
Kurz vor 18.00 Uhr fuhr der Angeklagte gemeinsam mit Domenik S. zu dem von seiner Familie bewohnten Anwesen. Der Angeklagte spiegelte vor, das Geld dort zu holen. Im Hausflur schlug Domenik S. dem Angeklagten mit voller Wucht in den Bauch, damit dieser seinem Zahlungsversprechen auch wirklich nachkommt. 
Der Angeklagte begab sich daraufhin auf den Dachboden des von seiner Familie bewohnten Anwesens, verschaffte sich dort eine Pistole, steckte diese in die Jackentasche und begab sich zu dem zuvor verabredeten Treffpunkt. Dort traf wenig später Domenik S. mit seinem Porsche Panamera ein.
Nach dessen Eintreffen setzte sich der Angeklagte sofort hinter dem Beifahrersitz auf die Rückbank des Porsche. Als Domenik S. die Waffe erblickte, lachte er den Angeklagten aus und sagte „Schieß doch, Hurensohn, ich lasse Dich nicht so einfach in Ruhe". Hierauf erschoss der Angeklagte Domenik S. aus kurzer Distanz.

Der Bundesgerichtshof bestätigte mit Beschluss vom 18.11.2021 zwar den von der 2. Strafkammer festgestellten Sachverhalt sowie die angeordnete Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt, hob aber die Verurteilung wegen Mordes und die verhängte lebenslange Freiheitsstrafe auf. 

In rechtlicher Hinsicht führte der Bundesgerichtshof aus, dass sich der Angeklagte in einer nicht nur latenten, sondern fortdauernden und zugespitzten Erpressungssituation befand. Angesichts dieser akut zugespitzten Situation sah der Bundesgerichtshof in dem Vorgehen des Angeklagten kein heimtückisches Verhalten und änderte den Schuldspruch in eine Verurteilung wegen Totschlags ab. Das Verfahren wurde an die 1. Strafkammer des Landgerichts München I zur Bestimmung der Strafhöhe verwiesen.

Die 1. Strafkammer des Landgerichts München I hat an zwei Verhandlungstagen zur Entwicklung des Angeklagten in der Untersuchungshaft ergänzend Beweis erhoben. Die Vorsitzende hob zu Beginn der Urteilsverkündung hervor, dass die Strafkammer nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs in nahezu allen Punkten an die Feststellungen der 2. Strafkammer gebunden war. Die Vorsitzende wies in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass die Kammer deswegen daran gehindert war, über die Beweggründe der Tat und die genauen Tatumstände Beweis zu erheben. Für die Bestimmung der Strafhöhe musste sich die Kammer – anders als üblich – vielmehr nahezu vollständig auf die rechtskräftig festgestellten Zumessungsgesichtspunkte beziehen. 

Strafmildernd berücksichtigte die Kammer demzufolge, dass sich der Angeklagte von Beginn der Hauptverhandlung an geständig und bis zuletzt auch reuig gezeigt hat, dass er ferner bislang nicht wegen Gewaltdelikten vorbestraft ist und dass er bei Tatbegehung nach vorherigem Kokaingenuss deutlich enthemmt war. Strafmildernd wirkte sich schließlich aus, dass der Angeklagte von dem Getöteten unter Anwendung massiver Drohungen und dem Einsatz körperlicher Gewalt erpresst wurde. Die Kammer berücksichtigte zugunsten des Angeklagten die erschwerten Bedingungen der Untersuchungshaft in der Zeit der Coronapandemie.

Strafschärfend berücksichtigte die Kammer den Umstand, dass der Angeklagte bei dem geplanten Treffen eine geladene Schusswaffe bei sich führte und damit ein erhöhtes Gefährdungspotential geschaffen hat. Zu Lasten wertete das Gericht in diesem Zusammenhang ferner, dass der Angeklagte zugleich eine Straftat nach dem Waffengesetz verwirklicht hat, ohne dass eine gesonderte Verurteilung deswegen noch erfolgen konnte. Strafschärfend wirkte sich schließlich der Umstand aus, dass der Angeklagte das Tatopfer mit drei gezielten Schüssen getötet hat. 

Nach Würdigung aller Gesamtumstände verhängte die Kammer eine Freiheitsstrafe von 8 Jahren 6 Monaten. Das Gericht ordnete mit seinem Urteil an, dass der Angeklagte die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt erst nach Verbüßung von 2 Jahren 3 Monaten der verhängten Freiheitsstrafe antreten wird. 

Die Staatsanwaltschaft hatte eine Freiheitsstrafe von 14 Jahren und die Nebenklage eine lebenslange Freiheitsstrafe beantragt. Die Verteidiger, die in ihren Schlussausführungen von einem minderschweren Fall des Totschlags ausgegangen waren, beantragten eine Freiheitsstrafe von 5 Jahren 6 Monaten. 

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Staatsanwaltschaft und Verteidigung steht das Rechtsmittel der Revision zu, das innerhalb von einer Woche ab heute eingelegt werden müsste. 

Mit freundlichen Grüßen

Florian Gliwitzky
Richter am Oberlandesgericht
Leiter der Justizpressestelle bei dem Oberlandesgericht München