Pressemitteilung 39 vom 09.08.2022
Strafverfahren gegen Patrick H. (46) wegen des Verdachts der Volksverhetzung
Das Landgericht München I hat am 09.08.2022 nach einer durchgeführten Berufungsverhandlung den 46jährigen Angeklagten Patrick H. wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 15 € verurteilt und damit ein Urteil des Amtsgerichts München aus dem Frühjahr 2022 bestätigt.
Nach den Feststellungen der Berufungskammer veröffentlichte der Angeklagte im November 2020 über seinen öffentlich einsehbaren Facebook-Account ein zweigeteiltes Bild, auf dessen unterer Hälfte der Eingang des Konzentrationslagers Auschwitz mit dem Schriftzug über dem Eingangstor „Arbeit macht frei“ zu sehen war. In der oberen Hälfte befand sich eine einem Konzentrationslager nachempfundene Zeichnung, die den Schriftzug „Impfen macht frei“ zeigte. Unter diesem Schriftzug waren zwei schwarz uniformierte Männer mit jeweils einer überdimensionierten Spritze in der Hand abgebildet. Der Angeklagte hatte das Bild mit dem Kommentar „Alles schon mal da gewesen“ versehen, begleitet von einem Emoji, das sich die Augen zuhält und einem mit zwei Fingern dargestellten V-Zeichen.
Das Gericht folgte der Argumentation des Antisemitismusbeauftragten der Bayerischen Justiz Oberstaatsanwalt Andreas Franck, der dem Angeklagten vorgeworfen hatte, dass er mit seinem Post die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung mit der Ermordung von Juden in Konzentrationslagern gleichgesetzt hatte.
Mit dieser Gleichsetzung – so die Berufungskammer – habe der Angeklagte die systematische und mörderische Judenverfolgung in der Zeit des Nationalsozialismus verharmlost. Zwei völlig unterschiedliche Sachverhalte seien so gleichgestellt worden. Dies sei zwar nicht der Hauptzweck des Posts gewesen, aber vom Angeklagten jedenfalls billigend in Kauf genommen worden.
Durch die Gestaltung seines Posts sowie den Zusatz „Alles schon mal da gewesen“ suggeriere der Angeklagte den Impfgegnern, ihnen geschehe staatliches Unrecht, das vergleichbar sei mit der Verfolgung und Ermordung der Juden in der NS-Zeit, gegen das man sich folgerichtig auch gewaltsam zur Wehr setzen, quasi Widerstandskämpfer sein dürfe. Der Post schüre insoweit ein aggressives Klima. Der Angeklagte habe damit in den Raum gestellt, dass Widerstand gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie genauso gerechtfertigt sei wie ein Widerstand gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft. Die Degradierung der Einzigartigkeit des Holocausts zu einem Vergleichsmaßstab für jegliche unliebsame staatliche Maßnahme könne gerade bei der deutschen jüdischen Bevölkerung große Verängstigung hervorrufen. Das damit verbundene „Schleifen“ der Erinnerung an den Holocaust begünstige zudem ein Klima, in dem Straftaten gegen Juden begangen würden.
Daher sei der Post des Angeklagten auch geeignet gewesen, den öffentlichen Frieden zu stören.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Verteidigung und der Generalstaatsanwaltschaft steht das Rechtsmittel der Revision zum Bayerischen Obersten Landesgericht offen, das binnen einer Woche ab heute eingelegt werden müsste.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Laurent Lafleur
Richter am Oberlandesgericht
Stellvertretender Pressesprecher