Pressemitteilung 9 vom 13.02.2023
Strafverfahren gegen Gökhan S. (26 Jahre) wegen des Verdachts der Geiselnahme u.a.
Die 10. Große Strafkammer des Landgerichts München I hat unter dem Vorsitz von Nikolaus Lantz mit Urteil vom 10.02.2023 die Unterbringung des Angeklagten in der Psychiatrie angeordnet.
Nach einer insgesamt siebentägigen Hauptverhandlung stand zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Angeklagte in den PKW einer ihm völlig unbekannten Fahrerin eingestiegen war und diese dann mit einem vorgehaltenen Messer dazu gezwungen hatte, mit ihm auf das Gelände einer stillgelegten Fabrik zu fahren und den PKW dort abzustellen. Der Angeklagte habe die Geschädigte dort vergewaltigen wollen. Der Geschädigten sei es aber noch gelungen, aus dem PKW zu fliehen. Der Angeklagte habe daraufhin die Handtasche der Geschädigten entwendet.
Nur fünf Tage später – so die Feststellungen der Kammer – habe der Angeklagte in einem Autohaus erneut unter Vorhalten eines Messers eine Mitarbeiterin dazu gezwungen, ihm einen Autoschlüssel für einen von ihm ausgewählten PKW zu übergeben. Anschließend habe der Angeklagte das Auto mit geringer Geschwindigkeit aus dem Autohaus herausgefahren, wo er dann aber von herbeigerufenen Polizeibeamten festgenommen werden konnte.
Rechtlich wertete die 10. Strafkammer diese Taten als Geiselnahme, besonders schwere sexuelle Nötigung, bewaffneten Diebstahl sowie erpresserischen Menschenraub und besonders schwere räuberische Erpressung.
Der Angeklagte sei allerdings – so die Kammer in Übereinstimmung mit einem psychiatrischen Sachverständigengutachten – bei den Taten aufgrund einer schweren paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie nicht schuldfähig gewesen. Eine Verurteilung konnte daher nicht erfolgen. Stattdessen ordnete die Kammer die – grundsätzlich unbefristete – Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus an.
Der Vorsitzende Richter hob das besonnene Handeln der Geschädigten sowie die schnelle und gründliche Ermittlungsarbeit der Strafverfolgungsbehörden in der mündlichen Urteilsbegründung hervor. Es sei auffällig gewesen, dass der Angeklagte vor Ausbruch der Erkrankung als Betäubungsmittelkonsument aufgefallen sei. Ein Zusammenhang zwischen vorangegangenem Betäubungsmittelkonsum und Ausbruch der Erkrankung war auch der psychiatrischen Sachverständigen als plausibel erschienen.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft München I steht das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen, das binnen einer Woche ab heute eingelegt werden müsste.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Laurent Lafleur
Leiter der Pressestelle für Strafsachen
Richter am Oberlandesgericht