Pressemitteilung 72 vom 15.11.2024
Oberlandesgericht München: Strafverfahren gegen Moaaz A. (26 Jahre) wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland
Der 6.
Strafsenat des Oberlandesgerichts München hat den 26jährigen Angeklagten am 15.11.2024
wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung in einer terroristischen Vereinigung im
Ausland – unter Einbeziehung einer achtmonatigen Freiheitsstrafe wegen
Einschleusens von Ausländern – zu einer Einheitsjugendstrafe von 3 Jahren und 3
Monaten verurteilt. Darüber hinaus wurde die Fortdauer der Untersuchungshaft
angeordnet.
Der Staatsschutzsenat sah es nach einer 18tägigen Hauptverhandlung als erwiesen an, dass der Angeklagte im Zeitraum vom 17.07.2015 bis zum 28.01.2017 als Mitglied für den sogenannten „Islamischen Staat“ (IS) unter dem Kampfnamen (sog. „Kunya“) „Abu Abdallah Al-Shami“ in verschiedenen Positionen – u. a. als Soldat, Militärpolizist und Verwaltungsmitarbeiter – überwiegend in der damaligen IS-Provinz Al-Furat in Syrien bzw. Irak tätig war. Der Angeklagte habe sich mit den Zielen des IS identifiziert, sich in dessen Verbandsleben eingegliedert, die beim IS von seinen Vorgesetzten erteilten Befehle ausgeführt und hierfür eine monatliche Alimentation erhalten.
Der Angeklagte hatte in der Hauptverhandlung die gegen ihn erhobenen Tatvorwürfe bestritten. Der Senat hat seine Überzeugung insbesondere darauf gegründet, dass der Angeklagte auf mehreren Listen des IS, beispielsweise auf der sog. „IS-Mitgliederliste“, der sog. „IS-Master Pay Roll“, der sog. „OP Raven“-Liste sowie einer umfassenden Gehaltsliste des IS aufgefunden wurde. Diese Listen seien dem Bundeskriminalamt vom FBI übergeben worden. Bei der sog. „IS-Mitgliederliste“ handele es sich um eine Liste, die am 27.12.2017 bei Hasakah in Syrien in die Hände der Koalitionskräfte gelangte und die u. a. Angaben zu den Personalien der dort aufgeführten IS-Mitglieder, zu deren Kunya, zur sogenannten Zensusnummer sowie Angaben zur Vergütung und zu den Kampfeinheiten enthält.
In seiner mündlichen Urteilsbegründung hat der Vorsitzende Richter Jochen Bösl herausgestellt, der Senat habe keine Zweifel daran gehabt, dass die Listen authentisch seien und vom IS stammten. Die dort enthaltenen Angaben über den Angeklagten haben – mit Ausnahme des Geburtsdatums – den Daten des Angeklagten entsprochen. Neben der Übereinstimmung insbesondere seines Namens sowie der Namen seiner Eltern, seines Groß- und Ur-Großvaters sowie seines Stammes, sei für die Überzeugung des Senats auch maßgeblich gewesen, dass der Angeklagte die ihm in den Listen zugeordnete Kunya „Abu Abdallah Al-Shami“ in einem Telegram-Chat sowie bei Facebook selbst verwendet und er in den Jahren 2021 bis 2023 (noch) mit der Ideologie des IS sympathisiert habe, wie die Auswertung seiner Handydaten ergeben habe.
Bei der Bemessung der Strafe hat der Senat Jugendstrafrecht angewandt, da der Angeklagte zu Beginn der Tat jugendlich sowie im weiteren Verlauf seiner Mitgliedschaft heranwachsend gewesen sei und Reifeverzögerungen nicht ausgeschlossen werden könnten. Die Verhängung einer Jugendstrafe sei wegen der Schwere der Schuld erforderlich gewesen. Gegen den Angeklagten haben der erhebliche Zeitraum seiner Mitgliedschaft sowie die besondere Gefährlichkeit des IS gesprochen. Zu seinen Gunsten sei insbesondere in den Blick genommen worden, dass er nicht vorbestraft und besonders haftempfindlich sei. Bei der Bestimmung der Höhe der Strafe sei zudem die rechtskräftige Freiheitsstrafe von acht Monaten wegen Einschleusens von Ausländern zu berücksichtigen gewesen, die – da der Schwerpunkt bei der Verurteilung wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung in einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu sehen sei – in die Einheitsjugendstrafe miteinzubeziehen gewesen sei.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Verteidigung und der Generalstaatsanwaltschaft München steht das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen, das binnen einer Woche ab heute eingelegt werden müsste.
Dr. Alexander Strafner
Richter am Oberlandesgericht
Stv. Pressesprecher für Strafsachen