Pressemitteilung 8 vom 14.02.2024
Landgericht München I: Strafverfahren gegen Özbek Y. wegen des Verdachts des versuchten Mordes
Die 2. Große Strafkammer des Landgerichts München I hat den Angeklagten Özbek Y. heute wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren 6 Monaten verurteilt.
Das Gericht ging nach einer sechstägigen Hauptverhandlung von folgendem Sachverhalt aus:
Der Angeklagte war als Taxifahrer tätig. Der spätere Geschädigte und zwei Verwandte bestiegen in der Nacht des 12.10.2022 das Taxi des Angeklagten. Dabei kam es zum Streit, weil der Geschädigte im Auto rauchte. Aus Verärgerung hierüber schlug der Angeklagte, nachdem er das Taxi angehalten hatte, dem Geschädigten die brennende Zigarette aus dem Mund. Im Anschluss daran kam es zu einer körperlichen Auseinandersetzung mit wechselseitigen Schlägen. Dennoch setzten der Angeklagte und die Gruppe um den Geschädigten die Fahrt gemeinsam fort. Unvermittelt schlug der Angeklagte dann aber dem Geschädigten in den Bauch und bremste das Taxi abrupt ab, woraufhin der Geschädigte gegen die Kopfstütze stieß und sich dabei eine blutende Verletzung zuzog. Es kam erneut zu einem Gerangel, bei dem der Geschädigte versuchte, den Angeklagten aus dem Taxi zu ziehen, sich dann aber von dem Taxi entfernte. Der Angeklagte griff sodann zu einem Brotzeitmesser mit einer Klingenlänge von 6,5 cm, folgte dem Geschädigten und stieß ihm das Messer mit voller Gewalt mit bedingtem Tötungsvorsatz auf Hüfthöhe in den Bauch. Der Geschädigte erlitt eine Stichverletzung von 9 cm Tiefe, die Messerspitze wurde vom Beckenknochen aufgehalten. Der Geschädigte schlug den Angeklagten noch nieder, bevor er sich vom Geschehen entfernte. Der Geschädigte hatte zunächst nicht realisiert, dass er von einem Messer verletzt worden war. Der Geschädigte wurde ambulant im Krankenhaus behandelt. Akute Lebensgefahr bestand glücklicherweise nicht.
Der Angeklagte hatte eingeräumt, das Taxi gefahren zu haben, zugleich aber auch angegeben, dass er sich an den Vorfall nicht mehr erinnern könne. Allerdings hatte er Polizeibeamten die Tatwaffe gezeigt. Die Kammer stützte sich bei der Beweiswürdigung vor allem auf die nachvollziehbare Schilderung des Geschädigten.
Der Angeklagte – so die Kammer – habe eine kurze Zündschnur und verfüge über eine akzentuierte Persönlichkeit; dies führe aber nicht etwa zu einer verminderten Schuldfähigkeit.
Die Kammer ging abweichend von der Anklage nicht von einem versuchten Tötungsdelikt aus. Der Angeklagte habe zwar mit Tötungsvorsatz gehandelt, sei aber strafbefreiend vom Versuch eines Tötungsdelikts zurückgetreten. Das Schwurgericht ist von einem sogenannten unbeendeten Versuch ausgegangen, da der Angeklagte noch nicht davon ausgegangen sei, alles zur Tötung des Geschädigten Erforderliche getan zu haben. Dies machte die Kammer insbesondere daran fest, dass der Geschädigte zunächst keine Reaktion auf den Messerstich gezeigt habe. Das sei aber eine „sehr enge“ Entscheidung gewesen betonte der Vorsitzende Richter Norbert Riedmann. Bei einem unbeendeten Versuch genügt es für den Rücktritt, wenn der Angeklagte die weitere Tatausführung aufgibt.
Bei der Strafzumessung berücksichtigte die Kammer insbesondere die psychischen Folgen der Tat für den Geschädigten sowie den Umstand, dass der Angeklagte bereits zuvor zwei Mal im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Taxifahrer strafrechtlich wegen Körperverletzungsdelikten in Erscheinung getreten war.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft sowie der Nebenklage München I steht das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen, das binnen einer Woche ab heute eingelegt werden müsste.
Dr. Laurent Lafleur
Leiter der Pressestelle für Strafsachen
Richter am Oberlandesgericht