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Oberlandesgericht München

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Pressemitteilung 20 vom 18.03.2025

Landgericht München II Strafverfahren gegen Herbert L. (67 Jahre) u.a. wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung u.a.

Die 5. Große Strafkammer (Wirtschaftsstrafkammer) hat am 12.03.2025 nach 87 Verhandlungstagen vier Angeklagte wegen Steuerhinterziehung und Betrugs bzw. wegen Beihilfe hierzu zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Der Hauptangeklagte L. wurde wegen Steuerhinterziehung in sechs Fällen und Betrugs in 248 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren 3 Monaten verurteilt. Ein weiterer Angeklagter (Manfred T.)  wurde wegen Steuerhinterziehung und Beihilfe zur Steuerhinterziehung in fünf Fällen zu 3 Jahren 3 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Zwei weitere Angeklagte (Anna W. und Helga L.) wurden wegen Beihilfehandlungen zu jeweils 3 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Zudem ordnete das Gericht gegen eine GmbH die Einziehung in Höhe von rund 1 Million Euro an. Von weiteren Tatvorwürfen wurden die Angeklagten freigesprochen.

Die Hauptverhandlung hatte bereits im Oktober 2022 begonnen und war das letzte noch von dem Vorsitzenden Richter Stefan Weickert, der in der Zwischenzeit zum Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht befördert worden ist, geführte Verfahren. Die lange Verfahrensdauer war insbesondere auf zahlreiche Anträge der Verteidiger der Angeklagten zurückzuführen.

Zur Überzeugung der Strafkammer hatte der Hauptangeklagte als Geschäftsführer einer Gesellschaft mit Sitz in Wolfratshausen ein System eines beleglosen Wareneinkaufs von einer Vielzahl von Lieferanten (sog. „Schwarzeinkäufe“) organisiert und dabei die Ausgaben für die Buchführung mit Rechnungen des weiteren Angeklagten und dessen Ehefrau abgedeckt, die in Wirklichkeit lediglich etwa 10 % der abgerechneten Lieferungen erbrachten.

Das Unternehmen des weiteren Angeklagte hat dann im Jahr 2010 für diese vorgeblich an die GmbH des Hauptangeklagten verkauften Waren ihrerseits Eingangsrechnungen von Personen in der Buchführung erfasst und daraus Vorsteuer gezogen, obwohl diese Waren nie geliefert wurden.    

Der Hauptangeklagte wurde als Täter einer Umsatzsteuerhinterziehung (Zeitraum 2006-2010) verurteilt; die beiden weiblichen Angeklagten (seine Ehefrau und die Prokuristin) wegen Beihilfe dazu, weil sie die beleglosen Wareneinkäufe verwaltet, die Umsatzsteuervoranmeldungen und die Gutschriften zur Abdeckung der Ausgaben erstellt hatten. Der weitere Angeklagte wurde wegen Beihilfe zur Umsatzsteuerhinterziehung zugunsten der Gesellschaft und als Täter einer Steuerhinterziehung zu Gunsten des eigenen Unternehmens verurteilt.

Der Hinterziehungsbetrag beläuft sich im Falle der Einziehungsbeteiligten auf ca. 2,6 Mio. Euro, im Falle des Unternehmens des weiteren Angeklagten auf ca. 190.000 Euro.

Darüber hinaus stellt die Wirtschaftsstrafkammer noch zahlreiche Betrugstaten fest, die vom Hauptangeklagten Herbert L. und der Prokuristin Anna W.  begangen wurden. Der Hauptangeklagte betrieb Unternehmen im Schrott- und Metallhandel und verursachte nach den Feststellungen der Kammer durch ein ausgeklügeltes Betrugssystem einen Gesamtschaden von rund 300.000 Euro. Dabei wurden im Betrieb des Hauptangeklagten angelieferte Schrott- und Metallmengen zunächst ordnungsgemäß gewogen und ein sog. Wiegeschein erstellt. Die Angeklagten L. und W. nahmen sodann aber grundlos Abzüge vom Gewicht vor. Auf dieser Grundlage wurde dann ein neuer Wiegeschein erstellt, der Grundlage der Abrechnung gegenüber Lieferanten wurde. Der korrekte (Erst)wiegeschein wurde vernichtet, den Lieferanten wurde nur der neu erstellte Wiegeschein (Zweitwiegeschein) vorgelegt. Von den vorgenommenen Abzügen wussten die Lieferanten nichts, sondern gingen vielmehr davon aus, dass der angelieferte Schrott ordentlich gewogen wurde. Hierdurch verminderte sich der Geldbetrag, den der Betrieb an seine Lieferanten zahlte um 300.000 Euro, den Betroffenen entstand ein entsprechender Schaden.

Insgesamt wurden am letzten Tag der Hauptverhandlung noch rund 900.000 Euro Umsatzsteuer nachbezahlt. Dieser Betrag wurde teilweise bei der Einziehungsentscheidung berücksichtigt. Daher wurde (nur noch) die Einziehung von rund 1 Million Euro angeordnet.

Bei der Strafzumessung berücksichtigte die Kammer insbesondere die hohe kriminelle Energie und den langen Zeitraum, in dem die Straftaten begangen wurden. Zudem war der Steuerschaden sehr hoch. Zur Kompensation der Verfahrensverzögerung gelten jeweils zwei Monate der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe als vollstreckt. Abschließend wies der Vorsitzende Richter Weickert darauf hin, dass die Strafe für den Hauptangeklagten noch höher ausgefallen wäre, wenn die Steuerschuld nicht zumindest teilweise beglichen worden wäre.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft München II steht das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen, das binnen einer Woche ab Urteilsverkündung eingelegt werden müsste. Die Angeklagten haben bereits Revision gegen das Urteil eingelegt.

 

Dr. Laurent Lafleur
Leiter der Pressestelle für Strafsachen
Richter am Oberlandesgericht