Pressemitteilung 7 vom 31.01.2025
Landgericht München I: Strafverfahren gegen Dr. Wolfgang H. (52 Jahre) wegen des Verdachts der Vergewaltigung
Die 9. Große Strafkammer des Landgerichts München I hat heute unter dem Vorsitz von Christian Daimer den Angeklagten Dr. Wolfgang H. wegen 17 Fällen der Vergewaltigung und des sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung des Behandlungsverhältnisses zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren 6 Monaten verurteilt. Vom Vorwurf von zwei weiteren Vergewaltigungen sprach das Gericht den Angeklagten frei.
Das Gericht sei ohne vernünftigen Zweifel zum Ergebnis gekommen, dass sich der Vorwurf der Staatsanwaltschaft in 17 Fällen bestätigt habe.
Der Angeklagte – ein Gastroenterologe – habe in den Jahren 2017 bis 2021 in seiner Arztpraxis bei der Gelegenheit von Darmspiegelungen insgesamt 17 von ihm behandelte Patientinnen kurzzeitig einen Finger in die Scheide der Frauen eingeführt.
Der Verdacht gegen den Angeklagten war durch die Aussagen von vier Mitarbeiterinnen der Arztpraxis aufgekommen. Die Kammer zeigte sich von der Glaubwürdigkeit der vier Zeuginnen und von der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben überzeugt. Der Vorsitzende bezog sich dabei auf das als vorbildlich bezeichnete Plädoyer der Staatsanwältin Susanne Kempter, die sämtliche Aussagen einer detaillierten und sehr ausführlichen Analyse unter Anwendung der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze unterzogen hatte. Die Aussagen seien konstant und detailreich gewesen. Die Zeuginnen hätten auch keinen Belastungseifer gezeigt. Eine Fremdmotivation für die Aussagen gebe es nicht. Die Kammer war vielmehr davon überzeugt, dass die Aussagen erlebnisbasiert gewesen seien. Der Umstand, dass die Taten erst spät bei der Polizei angezeigt worden seien, sei von den Zeuginnen plausibel – unter anderem mit der Angst vor Repressalien bei der Arbeit – erklärt worden. Dass die vier Zeuginnen sich zum Nachteil des Angeklagten abgesprochen hätten, schloss die Kammer aus. Der Vorsitzende betonte, das Gericht habe nach möglichen Zweifeln an dem Wahrheitsgehalt der Aussagen gesucht, aber keine gefunden.
Die Aussagen der Zeuginnen stünden auch nicht im Widerspruch zu den Ausführungen eines biomechanischen und eines medizinischen Sachverständigen.
Die Kammer wertete die Taten als Vergewaltigung und sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses in insgesamt 17 Fällen.
Bei der Strafzumessung berücksichtigte das Gericht, dass der Angeklagte bislang nicht vorbestraft ist und die Taten teilweise geraume Zeit zurücklagen. Zu Lasten habe gesehen werden müssen, dass die Folgen für die beiden identifizierten Geschädigten ganz massiv seien. Staatsanwältin Susanne Kempter hatte eine Freiheitsstrafe von 8 Jahren beantragt. Das Gericht hielt demgegenüber eine Freiheitsstrafe von 6 Jahren 6 Monaten für ausreichend.
Abweichend von der Forderung der Staatsanwaltschaft verzichtete die Strafkammer auf die Verhängung eines Berufsverbots. Der Angeklagte sei nicht vorbestraft und es gebe keine Erkenntnisse dazu, dass der Angeklagte nach Entdeckung noch weitere Straftaten begangen habe. Ein Berufsverbot sei daher nicht erforderlich.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft München I steht das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen, das binnen einer Woche ab heute eingelegt werden müsste.
Dr. Laurent Lafleur
Leiter der Pressestelle für Strafsachen
Richter am Oberlandesgericht