Pressemitteilung vom 20. Februar 2019 Nr. 6/2019
Steinwürfe von Autobahnbrücken: Plädoyers wurden gehalten
Am 20. Februar 2019 haben die Prozessbeteiligten in dem Prozess gegen einen jugendlichen und einen heranwachsenden Angeklagten, welche u. a. Steine von Autobahnbrücken auf Fahrzeuge geworfen haben sollen, ihre Schlussvorträge gehalten. Nach derzeitigem Stand ist damit zu rechnen, dass die Jugendkammer I des Landgerichts Nürnberg-Fürth am Montag, dem 25. Februar 2019 um 12:00 Uhr ein Urteil verkünden wird. Die Justizpressestelle wird auch darüber in Form einer Pressemitteilung informieren, wobei diese erst am Nachmittag des 25. Februar 2019 erfolgen kann.
Oberstaatsanwalt Adelhardt hielt seinen Schlussvortrag und beantragte:
Die beiden Angeklagten u. a. wegen gemeinschaftlicher Brandstiftung, gemeinschädlicher Sachbeschädigung sowie versuchten Mordes in mehreren Fällen in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr teilweise noch in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig zu sprechen.
Er beantragte, den 20-jährigen Angeklagten zu einer Jugendstrafe von 5 Jahren und 9 Monaten zu verurteilen.
Er beantragte, den 17-jährigen Angeklagten zu einer Jugendstrafe von 5 Jahren zu verurteilen
Oberstaatsanwalt Adelhardt zeigte sich insbesondere davon überzeugt, dass beide Angeklagte Steine von insgesamt drei Autobahnbrücken auf darunter fahrende Lkw und Pkw geworfen haben. Er stützte diese Überzeugung u. a. auf das Geständnis des 20-jährigen Angeklagten und auf die Angaben des 17-jährigen Angeklagten in dessen polizeilicher Vernehmung, welche aus seiner Sicht auch verwertbar sei. Der Angeklagte und die Eltern hätten gewusst, dass ein Anwesenheitsrecht der Eltern bei der polizeilichen Vernehmung bestand, davon aber keinen Gebrauch gemacht.
Der Oberstaatsanwalt ging auch von einem bedingten Tötungsvorsatz aus, weil es den beiden Angeklagten „egal“ gewesen sei, dass auch Menschen ums Leben kommen könnten; schließlich habe es sich um große Steine gehandelt, die hier geworfen worden seien. Da die Angeklagten heimtückisch gehandelt hätten, liege nicht nur versuchter Totschlag, sondern auch versuchter Mord vor. Bei beiden Angeklagten sei Jugendstrafrecht anwendbar. Unter Abwägung aller Umstände rechtfertigen sich aus seiner Sicht die beantragten Jugendstrafen, insbesondere wegen des erheblichen Strafvorwurfs. Bei dem 20-jährigen Angeklagten sei die beantragte Strafe deshalb höher, weil noch eine frühere Verurteilung einzubeziehen sei.
Der Vertreter der Nebenklage hielt seinen Schlussvortrag und führte aus:
Gegen beide Angeklagte sei eine Jugendstrafe zu verhängen, bei dem jüngeren Angeklagten könne diese eventuell sogar noch einmal zur Bewährung ausgesetzt werden.
Er zeigte sich verwundert, dass sich die beiden Angeklagten bei keiner der geschädigten Personen entschuldigt haben. Der Nebenklägervertreter wollte allerdings keinen Tötungsvorsatz bejahen.
Der Verteidiger des 20-jährigen heranwachsenden Angeklagten, Rechtsanwalt Skapczyk, hielt seinen Schlussvortrag und beantragte:
Seinen Mandanten nur wegen fahrlässiger Brandstiftung, gemeinschädlicher Sachbeschädigung und im Übrigen nicht wegen versuchten Mordes, sondern nur wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr teilweise in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in mehreren Fällen schuldig zu sprechen. Er beantragte die Verhängung einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten.
Das, was sein Mandant getan habe, sei „eine abgrundtiefe Sauerei“, darüber brauche man nicht zu reden. Er vertrat jedoch die Auffassung, dass sein Mandant keinen Tötungsvorsatz gehabt habe. Dieser sei vielmehr davon ausgegangen, dass niemand ums Leben kommen werde. Im Hinblick auf die von ihm beantragte Strafe führte er aus, dass es wegen des Erziehungsgedankens des Jugendstrafrechts wichtig sei, seinen Mandanten zeitnah die Möglichkeit einer Therapie einzuräumen.
Der Verteidiger des 17-jährigen jugendlichen Angeklagten, Dr. Schulz-Merkel, hielt seinen Schlussvortrag und beantragte:
Seinen Mandanten u. a. wegen Brandstiftung, gemeinschädlicher Sachbeschädigung und Beihilfe zum versuchten Mord schuldig zu sprechen und ihn zu einer Jugendstrafe von 1 Jahr und 11 Monaten zu verurteilen, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird. Im Übrigen sei sein Mandant freizusprechen.
Dr. Schulz-Merkel stellte sich zunächst die Frage, was in Menschen vorgehe, die Steine von Autobahnbrücken werfen. Die Tatherrschaft habe insgesamt bei dem 20-jährigen Angeklagten gelegen. Sein Mandant habe in der Hauptverhandlung das zugegeben, was er auch tatsächlich getan habe, nämlich u. a. die Tatsache, dass er Paletten auf die Brücke hochgetragen habe. Steine habe sein Mandant nicht geworfen, soweit er dies bei der Polizei anders ausgesagt habe, sei dies falsch gewesen. Außerdem sei der Inhalt der polizeilichen Vernehmung nicht verwertbar, da sich die Eltern aufgrund einer gerade stattfindenden Hausdurchsuchung nicht in der Lage gesehen hätten, an der Vernehmung teilzunehmen; diese seien von der Situation überfordert gewesen. Tatsächlich hätten die Eltern aber an der Vernehmung teilnehmen wollen. Die vernehmenden Beamten hätten hier eine „erkennbare Verwirrungssituation aller Beteiligter ausgenutzt und sich so die Aussage erschlichen.“
Bei der von ihm beantragten Jugendstrafe sei der Erziehungsgedanke maßgebliches Argument. Die Strafe sei zur Bewährung auszusetzen, weil auf seinen Mandanten in der Haft nicht hinreichend eingewirkt werden könne.
Beide Angeklagten hatten die Gelegenheit, sich in einem letzten Wort zu äußern.
Friedrich Weitner
Richter am Oberlandesgericht
Justizpressesprecher