Pressemitteilung vom 27. Januar 2020 Nr. 6/2020
Die kaum erkennbare Kette oder „grau in grau“ kann gefährlich sein!
Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat entschieden, dass der Straßenbaulastträger seine Verkehrssicherungspflichten verletzt, wenn er eine zwischen Metallpfosten gespannte Kette nicht hinreichend deutlich markiert.
Der damals 8-jährige Kläger war im Oktober 2016 mit seinem Vater auf dem Gehweg zwischen der Hornschuchpromenade und der Königswarterstraße in Fürth unterwegs. Vor dem Straßenübergang zur Königswarterstraße blieb er stehen, entdeckte das Fahrzeug seines Vaters, welches auf einem Parkplatz unmittelbar gegenüber geparkt war, und rannte los. Der Kläger vergewisserte sich noch, dass kein Fahrzeug auf der Königswarterstraße unterwegs war. Er übersah jedoch eine Kette, welche entlang des Gehweges, auf dem er sich befand, gespannt war, und rannte gegen diese, wodurch er stürzte. Diese Kette hatte in etwa die gleiche Farbe wie der Straßenbelag. Zum Zeitpunkt des Unfalls war es bereits vollständig dunkel. Der Kläger wurde durch den Sturz schwer verletzt und musste nahezu einen Monat im Klinikum behandelt werden. Insgesamt wurden bei ihm fünf Folgeoperationen durchgeführt, da er eine schwere Ohrverletzung erlitten hatte. Der Kläger leidet bis heute unter den Folgen des Unfalls.
Er ist der Meinung, dass die Stadt Fürth als Straßenbaulastträgerin die Kette entweder hätte markieren oder aber besser beleuchten müssen. Diese sei für ihn überhaupt nicht erkennbar gewesen. Er habe auch nicht sehen können, dass man die Straße nur zwischen zwei „rot-weiß“ markierten Pfosten überqueren dürfe, zwischen welchen keine Kette gespannt war.
Die beklagte Stadt Fürth trägt vor, dass der Bereich, in welchem der Kläger die Straße überqueren wollte, gerade nicht dafür vorgesehen sei. Deshalb sei dort auch die Kette gespannt. Durch die Straßenlaternen sei ausreichend erkennbar, dass zwischen den Pfosten eine Metallkette gespannt sei. Der aufsichtspflichtige Vater hätte das Kind darüber hinaus an der Hand nehmen müssen, damit dieses nicht einfach über die Straße rennen könne. Schließlich sei auf jeden Fall von einem erheblichen Mitverschulden des Klägers auszugehen, da dieser gerannt und nicht im normalen Geh-Tempo gelaufen sei.
Das Landgericht Nürnberg-Fürth hält die Klage dem Grunde nach zum Teil für gerechtfertigt; der Kläger müsse sich aber ein Mitverschulden von 50 % anrechnen lassen.
Aus Sicht des Landgerichts hat die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt, da sie nicht für eine ausreichende Wahrnehmbarkeit der Absperrkette gesorgt habe. Das Landgericht hat sich bei einem Ortstermin davon überzeugt, dass bei Dunkelheit die Absperrkette nur schwer zu erkennen sei, da sich deren „Grau“ nicht von dem „Grau“ des Straßenbelages abhebe. Insbesondere sei nicht erkennbar, dass man die Straße nur an den Stellen überqueren dürfe, an welchen zwischen „rot und weiß“-markierten Pfosten keine Kette gespannt sei. Die Beklagte hätte daher beispielsweise durch Spannen einer rot-weiß markierten Kette dafür sorgen müssen, dass dieses Hindernis deutlicher zu erkennen sei.
Der Kläger müsse sich aber trotz seines Alters ein Mitverschulden anrechnen lassen. Es handele sich nicht um einen „typischen Unfall“ im Straßenverkehr, da sich hier nicht die Gefahren des motorisierten Verkehrs realisiert hätten, sondern der Kläger schlicht mit nicht angepasster Geschwindigkeit losgerannt sei.
Eine Verpflichtung des Vaters, das Kind an die Hand zu nehmen, habe nicht bestanden, da der Kläger bereits acht Jahre alt gewesen sei und man sich auf einem Fußweg befunden habe. Kinder müssten in dem Alter nach und nach zur Selbständigkeit erzogen werden.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da die Beklagte dagegen Berufung eingelegt hat. Diese ist beim 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg anhängig.
Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 10.12.2019, Az. 4 O 662/19
Friedrich Weitner
Richter am Oberlandesgericht
Justizpressesprecher