Amtsgericht Neu-Ulm
19.01.2011

Überlange Gerichtsverfahren - Bayerns Justizministerin Beate Merk kritisiert geplantes Gesetz: "Gut gemeint ist nicht gut gemacht!"

Bayerns Justizministerin Dr. Beate Merk kritisiert den Gesetzesentwurf über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, der morgen in erster Lesung im Bundestag beraten wird. "Der Gesetzentwurf ist gut gemeint, aber nicht gut gemacht", so Merk. "Er versucht, gerichtliche Verfahren zu verkürzen, indem er Betroffenen eine Entschädigung zugesteht, die wiederum in einem gerichtlichen Verfahren zuzuerkennen ist. Das beschäftigt die Gerichte mit neuen Prozessen und bindet damit die Kräfte der Justiz, statt sie freizusetzen", so die Ministerin.

Laut Merk geht das Gesetz auch über die Vorgaben des vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs (EGMR) hinaus. "Der Gesetzentwurf sieht beispielsweise selbst dann einen Anspruch auf vollen Schadensersatz vor, wenn das Gericht die Verzögerung nicht verschuldet hat. Eine so weitgehende Entschädigung hat der EGMR aber nicht gefordert."

Merk weiter: "Hier schießt Deutschland freiwillig auf Kosten des Steuerzahlers über das Notwendige hinaus. Das ist umso unverständlicher, als Deutschland bei der durchschnittlichen Dauer der Verfahren im internationalen Vergleich gut dasteht und sich nicht zu verstecken braucht. Ich setze deshalb darauf, dass der Bundestag hier noch nachbessert."

Dennoch ist es laut Merk nicht tolerabel, wenn es in Einzelfällen zu unzumutbar langen Verfahren kommt. "Die Lösung kann aber nicht darin bestehen, den Mitarbeitern der Justiz neue und demotivierende Entschädigungsverfahren aufzubürden, die im Übrigen erst dann greifen, wenn der Prozess bereits zu lange gedauert hat. Vielmehr brauchen wir eine andere Streitkultur in Deutschland, die stärker auf außergerichtliche Streitbeilegung setzt. Außerdem setze ich mich in Bayern nachdrücklich und erfolgreich für Personalverbesserungen bei den Richterinnen und Richtern ein", so Merk. "Hier und nicht in weiteren Prozessen liegt der Schlüssel zur Lösung des Problems."

Hintergrund: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in verschiedenen Entscheidungen beanstandet, dass in Deutschland keine ausreichenden Rechtsbehelfe zur Verfügung stünden, um Rechtsschutz bei überlangen Verfahren zu erlangen. Mit dem geplanten Gesetz will die Bundesregierung bei unangemessen langer Prozessdauer einen Entschädigungsanspruch von grundsätzlich 100,- EUR monatlich einführen, über den ein Senat des Oberlandesgerichts in einem neuen Verfahren entscheiden soll.

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