60 Jahre nach dem Prozess gegen Adolf Eichmann / Schulklassen präsentieren Projekte im Münchner Justizpalast / Bayerns Justizminister Eisenreich: "Frieden, Freiheit, Demokratie und Menschenrechte müssen Tag für Tag verteidigt werden. Es ist daher wichtig, sich schon in jungen Jahren mit dem NS-Unrecht auseinanderzusetzen."
Er war der Chef-Organisator des Holocausts. Vor 60 Jahren wurde Adolf Eichmann in Jerusalem für den millionenfachen Mord an Juden vor Gericht zur Verantwortung gezogen. Das Urteil: Tod durch Strang. Zum Jahrestag des Prozesses hatte die bayerische Justiz auf einer Auftaktveranstaltung am 3. Mai gemeinsam mit dem Antisemitismus-Beauftragten der Bayerischen Staatsregierung, Dr. Ludwig Spaenle, ein Schülerprojekt ins Leben gerufen.
Heute (10. November) stellten die beteiligten Klassen aus Bayern ihre Projektergebnisse im Münchner Justizpalast vor. Moderiert wurde die Abschluss-Veranstaltung durch den renommierten Straf- und Völkerrechts-Experten Prof. Dr. Christoph Safferling (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg). Bayerns Justizminister Georg Eisenreich: "Der Eichmann-Prozess mahnt uns alle: Frieden, Freiheit, Demokratie und Menschenrechte müssen Tag für Tag verteidigt werden. Es ist daher wichtig, sich schon in jungen Jahren mit dem NS-Unrecht auseinanderzusetzen. Deshalb freue ich mich über das große Engagement unserer bayerischen Schülerinnen und Schüler."
Unter dem Motto "Vergangenheit mahnt, die Gegenwart darf nicht schweigen um der Zukunft willen" haben sich vier Schulklassen mit den verschiedenen Facetten des Prozesses auseinandergesetzt und innovative Projekte entwickelt. Darunter:
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Eine Website mit kreativen Umsetzungen und einem fiktiven Interview mit Hannah Arendt zum Thema "Der Werdegang eines Biedermanns im NS-Staat – die Banalität eines Massenmörders" (Gymnasium Fränkische Schweiz Ebermannstadt).
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Ein Podcast über den Ermittler Avner Werner Less zum Verhör Eichmanns (Otto-von-Taube-Gymnasium, Gauting).
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Eine interaktive Collage zum Thema "Fritz Bauer – ein Deutscher, der keinen Schlussstrich ziehen wollte" (Wilhelmsgymnasium, München).
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Social-Media-Umfrage, Roll-Ups sowie Kurzfilme zum Thema "Was hat Adolf Eichmann mit uns zu tun? Der Eichmannprozess 1961 – Impulse für ein Geschichtsbewusstsein der Jugend des 21. Jahrhunderts." (Orlando-di-Lasso-Realschule, Maisach).
Kultusminister Prof. Dr. Michael Piazolo betonte bereits vorab: "Unseren Schülerinnen und Schülern ist es gelungen, mit ihren Beiträgen überaus lebendige und innovative Zugänge zur historischen Bedeutung des Eichmann-Prozesses zu schaffen. Im Mittelpunkt dieser Projekte steht neben dem Prozessgeschehen und seinen Hintergründen die Frage, was Verantwortung bedeutet, welchen Mut es erfordern kann, sich gegen Unrecht zu behaupten und wie katastrophal es enden kann, wenn wir uns autoritären Entwicklungen verschließen. Alle vier vorgestellten Projekte haben mich auch vor diesem Hintergrund beeindruckt und ich freue mich, wenn diese nun den Unterricht an möglichst vielen bayerischen Schulen bereichern."
Der bayerische Antisemitismusbeauftragte Spaenle ergänzt: "Mit dem Täter Adolf Eichmann wird sein Unrecht gegen Jüdinnen und Juden sichtbar. Seine Verbrechen gegen die Menschlichkeit werden aus der Anonymität herausgeholt. Ich freue mich, dass die Schülerinnen und Schüler mit ihren Projekten genau dieses Ziel verfolgen und erreicht haben. Und sie haben am Beispiel von Fritz Bauer, dem langjährigen Landesgeneralstaatsanwalt von Hessen, auch eine Person in ihren Blick genommen, der die Verbrechen Eichmanns aufgedeckt und verfolgt hat und ihn seiner gerechten Strafe zugeführt hat. Bauer gehört zu den Persönlichkeiten, die ganz wesentlich zur Aufklärung der Shoah und zur Aufarbeitung der NS-Diktatur beigetragen hat. Biographisches Lernen eröffnet eine besondere Möglichkeit, sich nachhaltig mit historischen Vorgängen zu beschäftigen und Folgerungen für das Geschichtsbewusstsein und politische Handeln zu ziehen – das ist Bildung gegen Judenhass."
Die Generalkonsulin des Staates Israel in München, Carmela Shamir: "Der Prozess gegen Adolf Eichmann in Jerusalem im Jahr 1961 wird in Israel als Initialzündung für die öffentliche Wahrnehmung des Holocaust angesehen. Vorher wollte man, in Israel aber auch Europa, das Schrecken verdrängen und neu beginnen – in Israel sogar einen neuen Staat aufbauen. Man wollte das Leid der Opfer nicht hören. Mit dem Eichmann-Prozess wurde zum ersten Mal eine weltweite Öffentlichkeit mit den jüdischen Opfern und Zeugen des Holocaust und ihren traumatischen Erfahrungen konfrontiert und man konnte nicht mehr weghören. In Israel fand daraufhin ein Umdenken statt: Überlebende der Shoah werden seitdem als Helden gefeiert, diesen Schrecken überlebt zu haben."
Minister Eisenreich abschließend: "Die Zahl antisemitischer Straftaten in Deutschland und auch in Bayern steigt. Es muss allen klar sein: Für Rassismus, Antisemitismus und Hass ist in unserer Gesellschaft kein Platz. Die bayerische Justiz bekämpft Antisemitismus entschlossen und konsequent. Ich möchte mich bei allen Schülerinnen und Schülern für ihren Einsatz und die herausragenden Arbeiten bedanken."
Ihren Mut zur Freiheit haben die Geschwister Scholl und vier ihrer Freunde mit dem Leben bezahlt. Wohin es führen kann, wenn die Dritte Gewalt im Staate ihre Unabhängigkeit verliert, zeigt die Dauerausstellung Willkür "Im Namen des Deutschen Volkes".
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… dass die Fachgerichtsbarkeiten, d.h. die Verwaltungs-, Arbeits-, Sozial- und Finanzgerichte in Bayern nicht zum Justizressort, sondern zum Geschäftsbereich der jeweiligen Fachministerien gehören?