Bayern fordert Gesetzesreform zur effizienten Bewältigung von Massenverfahren / Antrag bei der Justizministerkonferenz / Justizminister Eisenreich: "Die derzeitige Rechtslage führt zu einem Verschleiß wertvoller Justizressourcen. Die Gerichte benötigen die rechtlichen Werkzeuge, um Massenklagen in angemessener Zeit bearbeiten zu können"
Mieten, Flüge, Diesel-Klagen: Immer mehr Bürgerinnen und Bürger, die sich früher an einen Rechtsanwalt gewandt haben, werden nun aktiv von spezialisierten Kanzleien oder Inkassodienstleistern online über Legal-Tech-Tools umworben. Diese versprechen hohe Erfolgschancen und ein geringes bzw. kein Kostenrisiko. Häufig wird auch eine Klage ohne vorangehendes Mandantengespräch oder eine Prozessrisiko-Analyse empfohlen. Bayerns Justizminister Georg Eisenreich: "Inkassodienstleister und Legal-Tech-Plattformen können Verbrauchern mit niedrigschwelligen Angeboten in bestimmten Bereichen den Zugang zum Recht erleichtern und Kosten sparen sowie für kleine und mittlere Unternehmen neue Geschäftsfelder eröffnen."
Die zunehmende Zahl der Massenverfahren führt jedoch zu erheblichen Mehrbelastungen der Zivilgerichte. Zu Verzögerungen kommt es u. a., weil die standardisierten Schriftsätze häufig kaum Bezug zum Einzelfall haben. Die Anlagen sind teils nicht richtig zugeordnet. Gerichtliche Rückfragen bleiben unbeantwortet, da zum Prozess oft kein Vertreter der Kanzlei, sondern ein mit dem Einzelfall nicht vertrauter Unterbevollmächtigter erscheint – meist mit der Vorgabe, selbst bei Verhandlungsbereitschaft der Gegenseite keinen Vergleich abzuschließen. Eisenreich: "Die Berufungsquote liegt bei nahezu hundert Prozent. Deshalb sind die Oberlandesgerichte sogar noch stärker beansprucht als die Landgerichte." Ihre Belastung lag 2020 ausweislich des deutschlandweit geltenden Personalbedarfsberechnungssystems PEBB§Y in Bayern bei über 125 %. Der Freistaat Bayern schafft daher zusätzliche Stellen.
Darüber hinaus sind aber auch gesetzgeberische Maßnahmen notwendig, da die Bearbeitung von Massenverfahren innerhalb des engen Korsetts der geltenden Rechtslage nicht effizient möglich ist. Bayern bringt deshalb einen Antrag bei der Herbstkonferenz der Justizministerinnen und Justizminister (11. und 12. November) ein und fordert den Bundesgesetzgeber auf, ein umfassendes Reformpaket zur Bewältigung zivilgerichtlicher Massenverfahren zu verabschieden. Eisenreich: "Berechtigte Ansprüche von Geschädigten dürfen selbstverständlich nicht beschränkt werden. Eine effektive Durchsetzbarkeit von Verbraucherrechten ist wichtig. Die derzeitige Rechtslage führt aber zu einem unnötigen Verschleiß wertvoller Justizressourcen. Die Gerichte benötigen die rechtlichen Werkzeuge, um Massenklagen in angemessener Zeit bearbeiten zu können."
Eine umfassende Reform müsste neben dem Prozessrecht insbesondere auch das materielle Recht, das Gebühren- und Kostenrecht und das Berufs- bzw. Rechtsdienstleistungsrecht in den Blick nehmen. Bayern möchte, dass hierzu insbesondere die Umsetzung der EU-Verbandsklagenrichtlinie genutzt wird.
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… dass die Fachgerichtsbarkeiten, d.h. die Verwaltungs-, Arbeits-, Sozial- und Finanzgerichte in Bayern nicht zum Justizressort, sondern zum Geschäftsbereich der jeweiligen Fachministerien gehören?