Hate-Speech-Bilanz 2021 der bayerischen Justiz / 2.317 Verfahren wegen Hass und Hetze im Internet / Bayerns Justizminister Eisenreich: "Hass und Hetze im Netz haben sich zu einer echten Gefahr für die Demokratie entwickelt. Der Kampf gegen Hasskriminalität muss entschlossen geführt werden."
Medizinerinnen und Mediziner, Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker, Journalistinnen und Journalisten, Minderheiten, andersdenkende oder andersgläubige Menschen: Beleidigungen und Bedrohungen in sozialen Netzwerken können jeden treffen. Bayerns Justizminister Georg Eisenreich: "Hass und Hetze im Netz haben ein erschreckendes Ausmaß angenommen. Es hat sich eine echte Gefahr für die Demokratie entwickelt. Die Corona-Pandemie hat dies verstärkt. Wer die Meinungsfreiheit und die Demokratie schützen will, muss Hass im Netz konsequent bekämpfen." Zum 1. Januar 2020 richtete Justizminister Eisenreich deshalb Deutschlands ersten Hate-Speech-Beauftragten zentral für die bayerische Justiz und Sonderdezernate bei allen 22 bayerischen Staatsanwaltschaften für die Bekämpfung von Hate Speech ein. Eisenreich: "Die Hate-Speech-Spezialisten haben in zwei Jahren insgesamt 3.965 Verfahren wegen Hasskriminalität im Internet geführt."
Wie viele Täter konnten im Jahr 2021 von den Hate-Speech-Spezialisten ermittelt, angeklagt und verurteilt werden?
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Ermittlungen: Im Jahr 2021 wurden insgesamt 2.317 neue Verfahren wegen Hate-Speech geführt (1.881 Verfahren gegen bekannte Beschuldigte und 436 Verfahren gegen Unbekannt). Gegenüber dem Vorjahr (1.648 Verfahren) ist das ein Anstieg von 41 Prozent.
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Anklagen: In 450 Verfahren wurde öffentliche Klage erhoben (darunter 112 Anklageerhebungen, 300 Anträge auf Erlass eines Strafbefehls sowie 38 Anträge im vereinfachten Jugendverfahren). Das bedeutet gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung von 84 Prozent (im Vorjahr waren es 116 Anklageerhebungen inkl. Anträge im vereinfachten Jugendverfahren, 129 Anträge auf Erlass eines Strafbefehls).
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Verurteilungen: In 332 Verfahren erging ein Urteil oder Strafbefehl, 269 sind bereits rechtskräftig.
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Eingestellte Verfahren: 571 Verfahren wurden eingestellt, z. B. mangels hinreichenden Tatverdachts oder weil der Täter nicht ermittelbar war.
Wer sind die Opfer von Hass und Hetze?
Die Statistik 2021 liefert erstmals nähere Erkenntnisse über die Tatmotivation.
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Minister Eisenreich: "Von den 2.317 Verfahren waren 347 Taten fremdenfeindlich motiviert, 46 islamfeindlich, 25 behindertenfeindlich und sechs christenfeindlich. In 86 Verfahren wurden die Opfer wegen ihrer sexuellen Orientierung oder sexuellen Identität angegriffen. Die Zahlen belegen: Jeder kann Opfer von Hass und Hetze werden. In vielen Verfahren kann die Motivation nicht eindeutig festgestellt werden."
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Eisenreich: "In 218 Verfahren wurde eine antisemitische Tatmotivation festgestellt. Die Zahl der antisemitischen Straftaten in Europa, in Deutschland und auch in Bayern steigt. Die bayerische Justiz duldet keine Angriffe auf Jüdinnen und Juden. Deshalb haben wir dem Kampf gegen Judenhass mit dem Zentralen Antisemitismus-Beauftragten der bayerischen Justiz ein Gesicht gegeben. Er ist bayernweit für Verfahren mit besonderer Bedeutung zuständig."
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Hass und Hetze richten sich auch in 280 Verfahren gegen Frauen. Eisenreich: "Es wurden 83 Ermittlungsverfahren wegen frauenfeindlicher Hate Speech geführt. Nach den Erfahrungen des Hate-Speech-Beauftragten richtet sich der Hass oftmals gegen Politikerinnen. Sie werden von überwiegend männlichen, deutschen Tätern mit sexualisierten Beleidigungen angegriffen. Ansonsten ergibt sich ein sehr vielschichtiges Bild: Beispielsweise werden auch Lehrerinnen Opfer von Hate Speech. Sie werden von männlichen Jugendlichen im Netz beleidigt. Die erfassten Straftaten richteten sich u. a. auch gegen Youtuberinnen und Fernsehmoderatorinnen. Auch alleinlebende Männer der sog. Incel-Bewegung greifen Frauen im Netz verbal an. Wir nehmen den Schutz von Mädchen und Frauen sehr ernst. Ich möchte Mädchen und Frauen ausdrücklich ermutigen: Zeigen Sie Hasskommentare an."
Welche Strafen drohen?
Justizminister Eisenreich: "Die Meinungsfreiheit endet dort, wo das Strafrecht beginnt. Beleidigung, Verleumdung, Volksverhetzung oder das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sind typische Straftatbestände von Hate Speech." Der Minister warnt: "Volksverhetzung kann bereits bei Ersttätern Geldstrafen von 120 Tagessätzen (vier Monatsgehälter) zur Folge haben – plus einen Eintrag im Führungszeugnis. Bei Wiederholungstätern ist auch eine Freiheitsstrafe möglich."
Wie kann ich Hate Speech schnell und unbürokratisch anzeigen?
Zur effektiven Bekämpfung von Hate Speech hat das bayerische Justizministerium Online-Meldeverfahren für Online-Straftaten mit verschiedenen Kooperationspartnern eingerichtet.
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Die Justiz schützt Journalistinnen und Journalisten: Mit der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) wurde 2019 das Projekt "Justiz und Medien – konsequent gegen Hass" ins Leben gerufen. Das Motto: "Erst anzeigen, dann löschen". Bereits 115 Medienunternehmen unterstützen die Initiative aktuell. Der Justizminister: "Vom 1. Oktober 2019 bis zum 15. Februar 2022 gab es 438 Prüfbitten, 67 Anklagen und Strafbefehlsanträge, 64 Urteile mit Geldstrafen bis zu 145 Tagessätzen und bis zu acht Monaten Freiheitsstrafe mit Bewährung."
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Die Justiz schützt Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker sowie Abgeordnete des Landtages, des Bundestages und des Europaparlaments: Kommunale Mandatsträger und Abgeordnete können seit September 2020 in einem Online-Meldeverfahren schnell und einfach Anzeigen und Prüfbitten an die Generalstaatsanwaltschaft München übermitteln. Der Minister: "Bislang nutzen 160 Kommunalpolitikerinnen und -politiker sowie Abgeordnete das Meldeverfahren. Bis zum 15. Februar 2022 gab es 140 Prüfbitten, 19 Anklagen und Strafbefehle, 18 Urteile mit Geldstrafen bis zu 95 Tagessätzen."
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Die Justiz schützt Jüdinnen und Juden in Bayern: Die Justiz bietet gemeinsam mit der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Bayern (RIAS Bayern) ein Online-Meldeverfahren für Opfer judenfeindlicher Straftaten an. Minister Eisenreich: "Damit antisemitische Motive nicht im Dunkeln bleiben, haben die Antisemitismus-Beauftragten der Generalstaatsanwaltschaften einen Leitfaden für Staatsanwälte entwickelt. Mit dem Leitfaden können antisemitische Motive leichter entschlüsselt werden" (z. B. anhand von Nazi-Jahrestagen oder Codes). Der Zentrale Antisemitismus-Beauftragte der bayerischen Justiz ist bayernweit für Verfahren mit besonderer Bedeutung zuständig.
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Die Justiz arbeitet derzeit an einem Online-Meldeverfahren für alle bayerischen Bürgerinnen und Bürger. Dazu steht das Justizministerium in Kontakt mit der baden-württembergischen Meldestelle "respect!".
Minister Eisenreich bedankt sich bei den Hate-Speech-Experten für ihren großen Einsatz in den vergangenen zwei Jahren: "Der Kampf gegen Hasskriminalität muss entschlossen geführt werden. Die Erfolge sind dem großen Einsatz unserer Ermittlerinnen und Ermittler zu verdanken."
Facebook und Co. waren dagegen oft nicht hilfreich. Eisenreich will deshalb die Betreiber von sozialen Netzwerken stärker in die Pflicht nehmen. Der Minister: "Wir können die Urheber von Hate Speech nur effektiv verfolgen und bestrafen, wenn wir sie identifizieren können. Deshalb müssen Auskunftsersuchen unserer Strafverfolgungsbehörden von Netzwerkbetreibern ohne Wenn und Aber beantwortet werden."
Hinweis:
Die Aufzeichnung der Pressekonferenz ist unter folgendem Link abrufbar:
Ihren Mut zur Freiheit haben die Geschwister Scholl und vier ihrer Freunde mit dem Leben bezahlt. Wohin es führen kann, wenn die Dritte Gewalt im Staate ihre Unabhängigkeit verliert, zeigt die Dauerausstellung Willkür "Im Namen des Deutschen Volkes".
Weitere Infos finden Sie hier
… dass die Fachgerichtsbarkeiten, d.h. die Verwaltungs-, Arbeits-, Sozial- und Finanzgerichte in Bayern nicht zum Justizressort, sondern zum Geschäftsbereich der jeweiligen Fachministerien gehören?