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Amtsgericht München

Amtsgericht München - Gebäude Maxburgstraße

Pressemitteilung 61 vom 28.09.15

Vorsicht am Telefon!


Am 13.07.2015 verurteilte das Amtsgericht München einen 19-jährigen türkischstämmigen Münchener wegen zweifacher Hehlerei zu einer Jugendstrafe von 2 Jahren und 11 Monaten. In dieses Urteil wurde mitaufgenommen ein Urteil des Amtsgerichts München vom 28.4.14, in dem er zu einer Jugendstrafe von 2 Jahren und 5 Monaten verurteilt worden war.

 


Der Verurteilte Münchner war als sogenannter „Abholer“ tätig, das heißt, er nahm in zwei Fällen Geld und Wertgegenstände an sich, wovon er wusste, dass es sich um Beute handelt, die Freunde von ihm zuvor bei betagten Seniorinnen ergaunert hatten.
Folgende zwei Fälle wurden abgeurteilt:

Am 09.01.2015 meldete sich einer der Freunde des Münchners um die Mittagszeit telefonisch bei einer älteren Dame, die in der Destouchesstraße in München wohnhaft ist und gab an, ein Beamter der Kripo Wiesbaden zu sein. Er schwindelte der alten Dame vor, dass derzeit in der unmittelbaren Nachbarschaft eingebrochen werde und sie als nächstes Opfer auf einer Liste der Einbrecher stehen würde. Die alte Dame wurde solange telefonisch unter Druck gesetzt, bis sie alle Wertgegenstände, die sie in ihrer Wohnung hatte, zusammenpackte und mit einer abschließbaren Handtasche vor ihre Haustür stellte. In der Tasche befanden sich 1500 Euro Bargeld, zwei Halsketten, eine goldene Uhr, zwei Eheringe und circa 10 weitere Ringe im Wert von insgesamt ungefähr 1200 Euro, außerdem die EC-Karte samt der Pin-Nummer. Der Freund verständigte den Münchener Täter und dieser fuhr dann um 16.30 Uhr zu der Wohnung, leerte die vor der Haustür stehende Handtasche aus und nahm alles außer der EC Karte an sich. Er veräußerte plangemäß den Schmuck und überwies noch am gleichen Tag an seine Hintermänner 1300 und 2000 Euro. Für diesen Tatbeitrag erhielt er 500 Euro „Vergütung“.

Am 13.1.2015 meldete sich ein Freund des Münchners telefonisch bei einer älteren Dame, die in der Planegger Straße in München wohnt. Er schwindelte ihr vor, ein Beamter des Bundeskriminalamtes in Wiesbaden zu sein und teilte mit, dass eine Frau, die im vierten Stock des Hauses wohne überfallen und schwer verletzt worden sei und jetzt im Krankenhaus liege. Er erzählte weiter, im Besitz einer Liste der Einbrecherbande zu sein, auf der die ältere Dame als „vermögend“ aufgeführt sei. Die alte Dame wurde dazu gebracht, dass sie alle Wertgegenstände in eine Tasche packte: Führerschein, Personalausweis, Kfz-Schein, Behindertenausweis, Krankenkassenkarte, VDK-Karte, Paybackkarten, Seniorenausweis, Pass, Bestattungsunterlagen, Kundenkarten, Sparbücher mit einem Gesamtguthaben von ca. 180.000.- €, einen Aktenordner mit Kontoauszügen, einen Ledergeldbeutel mit Bargeld i. H. v. 80,00 EUR, einen Umschlag mit Bargeld i. H. v. 500,00 EUR sowie drei Schmuckkästchen mit Bernsteinschmuck, Ketten, Armreifen, Ohrringen, zwei goldenen Uhren und einem goldenen Armband. Der Anrufer setzte die Geschädigte dabei immer weiter unter Druck, indem er ihr sagte, sie solle immer auf den Balkon achten, da die Täter Profis und besonders gewalttätig seien. Die Geschädigte geriet hierbei derart unter Druck, dass sie selbst als sie die Toilette aufsuchen musste, sich nicht traute, das Gespräch zu beenden, sondern den Hörer neben sich legte. Das Gespräch dauerte circa zwei Stunden. Die Geschädigte sah sich so sehr unter Druck, dass sie bereits während des Telefonats Medikamente nehmen musste und einmal auch stürzte. Schließlich gab sie dem für sie zu groß werdenden Druck nach und stellte die Tasche vor die Haustür. Nachdem er von seinem Freund verständigt worden war, holte der Münchner wiederum die Wertgegenstände ab, während der Freund weiterhin die alte Dame am Telefon unter Druck setzte. Nach circa weiteren 30 Minuten, in denen ihr stetig vortäuscht wurde, dass „die Täter auf dem Anmarsch seien", gab der Freund am Telefon schließlich vor, dass „die Täter würden das Konto der Geschädigten hacken", so dass man nunmehr die PIN der Geschädigten brauche. Nach kurzer Diskussion überließ die Geschädigte dem Anrufer ihre PIN. Das Telefonat endete gegen etwa 21:00 Uhr. Um 05:00 Uhr sperrte die Geschädigte ihre Konten. Bereits am 13.01.2015 um 19:58 Uhr waren von dem Konto der Geschädigten mittels EC-Karte und PIN unberechtigt 1.000,00 EUR abgehoben worden. Der verurteilte Münchner überwies am 14.1.15 an einen Freund via Western Union 1150 Euro. Für seine Dienste als „Abholer“ erhielt er wiederum eine „Vergütung“ von 500 Euro.
Das Gericht hat bei der Höhe der Strafe berücksichtigt, dass der Münchner geständig war und bereits vier Monate in Untersuchungshaft saß. Von dem genauen Inhalt der Telefonate seiner Freunde hatte er keine Kenntnis. Im Gesamtgefüge der Täter war er ein „kleines Rädchen“. Andererseits ist er bereits mehrfach vorbestraft und es droht ihm die Abschiebung aus Deutschland.
Die Verfahren gegen die Haupttäter, die mit den Seniorinnen die Telefonate führten bzw. den Hauptteil der Beute einkassierten, konnten noch nicht abgeschlossen werden, da die Täter sich wohl im Ausland befinden. Ihr Aufenthalt ist nicht bekannt.

Urteil des Amtsgerichts München vom 13.7.2015, Aktenzeichen 1031 LS 461 Js 120213/15 jug, das Urteil ist rechtskräftig.


Monika Andreß