Pressemitteilung 70 vom 31.08.2018
Keine Ferien wider Willen
Dem Kind eines in den Augen der Kindergartenleitung illoyalen Elternbeiratsvorsitzenden durfte nicht gekündigt werden
Das Amtsgericht München stellte in einer Eilentscheidung am 9.8.2018 fest, dass - befristet bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren - der Kinderbetreuungsvertrag zwischen den Parteien nicht infolge der Kündigung durch die Antragsgegnerin beendet ist, sondern fortbesteht.
Im Frühjahr 2017 schlossen die Parteien einen Betreuungsvertrag für das damals zweieinhalbjährige Kind der Antragsteller in einem Kindergarten im südlichen Münchner Landkreis. Der Vater des Kindes wurde im Oktober 2017 zum Elternbeiratsvorsitzenden des Kindergartens gewählt. Der Elternbeirat traf sich im Februar 2018 mit der Leitung und Geschäftsleitung des Kindergartens, um die aus Sicht des Elternbeirats bestehenden verschiedenen Probleme zu besprechen. Im Mai sprach der Elternbeirat auch beim Landratsamt als zuständiger Aufsichtsbehörde vor. Danach verschickte der Vater als Elternbeiratsvorsitzender an sämtliche Eltern einen Elternbrief, in dem er neben der Aufzählung der mit dem Landratsamt besprochenen Kritikpunkte dazu aufrief, bei künftigen Problemen neben der Geschäftsführung des Kindergartens auch die Gemeindeverwaltung zu informieren, damit „…Seitens der Gemeinde und des Landratsamtes auf …(die Geschäftsführung) eingewirkt wird, mit den Eltern und dem EIternbeirat im Sinne einer vertrauensvollen Erziehungspartnerschaft zusammen zu arbeiten oder sich die Gemeinde einen anderen Träger sucht.“
Am 11.07.2018 kündigte die Antragsgegnerin den Betreuungsvertrag außerordentlich zum 31.07.2018 unter Verweis auf den Inhalt des Elternbriefs, hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Zeitpunkt.
Ohne einen Betreuungsplatz für ihren Sohn Quirin wäre die Mutter gezwungen, ihre Halbtagstätigkeit aufzugeben. Die Eltern haben zum 01.09.2018 einen Betreuungsplatz in einem anderen Kindergarten vor Ort angeboten bekommen.
Die antragstellenden Eltern behaupten, sämtliche Schritte des Vaters seien stets mit dem gesamten Elternbeirat abgesprochen gewesen. Zunächst habe man sich aufgrund der Differenzen mit der Leitung des Kindergartens an den Landeselternbeirat und das Landratsamt gewandt und um Rat gefragt.
Die Antragsgegnerin behauptet, dass der Vater eigenmächtig in dem Elternbrief gegenüber der Elternschaft dazu aufgerufen habe, Probleme auch der Gemeindeverwaltung zu melden, um so eine Auswechslung des Trägers zu erreichen. Die übrigen Eltern hätten gegenüber der Antragsgegnerin keine Beschwerden erhoben, sondern sich vielmehr zum Teil über das Vorgehen des Vaters beschwert. Deswegen sei das Vertrauensverhältnis so zerrüttet, dass eine weitere Betreuung des Sohnes der Antragssteller für die Beklagte nicht zumutbar sei.
Der zuständige Richter am Amtsgericht München gab den Eltern einstweilig Recht.
„Eine außerordentliche Kündigung des Betreuungsvertrags ist (…) möglich, sofern Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Ein derartiger Kündigungsgrund liegt hier nicht vor. (…). Für die Behauptung der Antragsgegnerin, der Antragsteller habe eigenmächtig gegen die Antragsgegnerin agitiert und zur Verwirklichung eigener Interessen lediglich sein Amt als Elternbeiratsvorsitzender ausgenutzt, finden sich keine hinreichenden Anhaltspunkte. (…) Es ist (…) glaubhaft, dass zwar einerseits ein Teil der Eltern sich über das Vorgehen des Elternbeirats beschweren, ein anderer Teil hingegen sich direkt an den Elternbeirat wendet, um über den Elternbeirat Kritik an der Antragsgegnerin zu üben. (…) Es ist geradezu die Aufgabe des Elternbeirats als Mittler zwischen Elternschaft und Träger, Kritik, welche Eltern in dieser Form oder Schärfe aus Sorge um den Verlust des Betreuungsplatzes oder Auswirkungen auf die Betreuung des Kindes nicht direkt gegenüber der Antragsgegnerin vorbringen möchten, zu sammeln und als Mittler diese Kritik sodann weiterzugeben. Mit diesem Aufruf wahrt der Elternbeirat daher nur seine ihm vom Gesetzgeber auferlegte Funktion“ Angesichts des Vertragswortlautes sei hier auch eine ordentliche Kündigung unwirksam. „Vorliegend besteht ein hinreichend hoher Grad an Gewissheit dahingehend, dass die ausgesprochene Kündigung unwirksam ist und daher weiterhin ein Betreuungsanspruch gegenüber der Antragsgegnerin besteht, der es angesichts der mit einem Wechsel verbundenen negativen Auswirkungen auf das Kind rechtfertigt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung zur einstweiligen Fortführung des Betreuungsvertrags bis zu einer Hauptsacheentscheidung zu verpflichten.“
Urteil des Amtsgerichts München vom 09.08.2018, Aktenzeichen 243 C 14364/18
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Klaus-Peter Jüngst