Pressemitteilung 44 vom 03.06.2019
Scherzschmerzen
Wer den Polizeinotruf im Scherz alarmiert, hat mit Konsequenzen zu rechnen
Am 10.04.2019 verurteilte die zuständige Jugendrichterin am Amtsgericht München einen 20jährigen Schüler aus Taufkirchen bei München wegen Missbrauchs von Notrufen zur Ableistung von sechzehn Stunden gemeinnütziger Arbeit und zur Teilnahme an fünf Beratungsgesprächen bei einer Jugendhilfeeinrichtung.
Am 06.01.2019 um 23.42 Uhr teilte der Verurteilte ausweislich des polizeilichen Protokolls über Notruf mit, einen Krankenwagen zu benötigen, da er einen Herzinfarkt habe. Diese Aussage wiederholte er nochmals: „Ich glaube, ich habe einen Herzinfarkt.“ Anschließend gab er seine Personalien und seinen aktuellen Aufenthaltsort an. Auf die Frage des Polizeibeamten, welche gesundheitlichen Anzeichen er habe, sagte er, dass er heute eine Menge LSD genommen habe.
Bei einem zweiten Anruf fünf Minuten später um 23.47 Uhr teilte er nun laut Protokoll mit, dass er vor kurzem einen falschen Notruf abgegeben habe. Es sei nur ein Witz gewesen. Nachdem ihm der Beamte entgegnete, dass man bei der Polizei keine Witze mache, stammelte er und sagte, es wäre ein Scherzanruf gewesen, „...Ich weiß nicht-...“, dann folgte ein verlegenes Lachen.
In der Verhandlung erklärte er: „Ich war mit Kumpels unterwegs. Mir ging es nicht so gut. Meine Eltern hatten sich getrennt (...) So was wie ein Joint machte dann die Runde. Ich weiß nicht, was drin war. Ich zog daran. Ich fing an zu halluzinieren, ich spürte mein Herz. Es ging sehr schnell. Ich bekam Panik. Meine Freunde sollten den Notruf wählen. Die meinten, die machen es nicht, weil da noch Zeug rumlag, sie dachten, sie bekommen Ärger. Ich rief dann die 110 oder die 112 an. Die unter der einen Nummer wollten aber so viel von mir wissen, da legte ich einfach auf. Ich rief dann die andere Nummer an. Danach rief ich bei einem Kumpel an, fragte, ob ich dort schlafen kann. Ich ging zu ihm, bekam ein Glas Wasser und legte mich dann hin. Nach ca. zehn Minuten ging es mir wieder besser. Ich rief dann nochmal die Nummer an und sagte, es geht mir besser, aber sie meinten, sie sind schon da. Sie kamen dann auch in die Wohnung. Sie fragten, wer angerufen hat. Ich sagte, ich habe angerufen. Sie checkten dann meinen Puls. Vier Beamte, die dabei waren, durchsuchten meine Taschen. Sie fragten dann, warum ich den Notruf gewählt habe. Ich bekam Panik, dachte, ich müsste mit ins Krankenhaus und drin bleiben. Ich sagte dann, der Anruf war ein Scherz. (...) Der Voreintrag im Erziehungsregister war wegen Marihuana. Ich habe mit Drogen aufgehört. Es lohnt nicht. Ich war den Abend angetrunken. Ich habe eine halbe Flasche Ballantines mit Cola, Bier und zwei Gin-Tonic getrunken.“
In seinem letzten Wort sagte er: „Ich bin schuldig und habe Kacke gebaut. Was soll ich sonst sagen.“
Die Richterin begründete ihr Urteil damit, dass sich aus den verlesenen Notrufmitschriften ergeben habe, „...dass sich der Angeklagte - nicht ausschließbar unter dem Einfluss von Drogen - einen Scherz erlauben wollte. Die anderslautende Einlassung des Angeklagten in der Hauptverhandlung sieht das Gericht als Schutzbehauptung an, da dem Angeklagten sein Verhalten erkennbar peinlich ist.“
Auf den Tatzeitpunkt schon Volljährigen sei gleichwohl Jugendrecht anzuwenden, „...da behebbare Reifeverzögerungen zum Tatzeitpunkt nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden können. Aus dem bisherigen Lebenslauf des Angeklagten ergeben sich Brüche in der persönlichen Entwicklung durch die Trennung der Eltern und in der schulischen Entwicklung. Beruflich befindet sich der Angeklagte noch in der Orientierungsphase. Auch ist er finanziell von der Unterstützung seiner Eltern abhängig.
Zu Gunsten des Angeklagten ist seine teilgeständige Einlassung zu berücksichtigen sowie der Umstand, dass der Angeklagte zumindest zwischenzeitlich eingesehen hat, sich falsch verhalten zu haben. Zu Gunsten des Angeklagten hat das Gericht auch berücksichtigt, dass der Angeklagte unwiderlegt bei der Tatbegehung unter Alkohol- und Drogeneinfluss stand. Zu Lasten des Angeklagten waren seine - wenn auch nicht einschlägigen - Voreintragungen zu sehen.“
Gegen den Verurteilten war ein Verfahren, in dem ihm eine Körperverletzung aus dem März 2016 zur Last lag gegen die Erteilung einer richterlichen Weisung, ein Verfahren wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln vom April 2017 im Hinblick auf eine drogenbezogene pädagogische Maßnahme und schließlich ein Verfahren wegen Schwarzfahrens und nachfolgend falschen Angaben zu seinen Personalien vom April 2018 gegen Ableistung von unbezahlter gemeinnütziger Arbeit eingestellt worden.
Urteil des Amtsgerichts München vom 10.04.2019, Aktenzeichen 1013 Ds 461 Js 116867/19 jug
Das Urteil wurde aufgrund allseitigen Rechtsmittelverzichts sofort rechtskräftig.
Klaus-Peter Jüngst