Pressemitteilung 60 vom 29.07.2019
Wildbieslerverfolger
Der Versuch, einem Oktoberfestbesucher gewaltsam eigenmächtig wegen unerlaubten Urinierens eine Gebühr abzufordern, führte hier zu hohen Geldstrafen.
Am 24.06.2019 verurteilte das zuständige Schöffengericht am Amtsgericht München ein 25- und 23jähriges Brüderpaar aus München, den älteren wegen versuchter räuberischer Erpressung mit Körperverletzung zur Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 30 €, den jüngeren wegen jeweils Beihilfe dazu zur Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 40 €.
Am 27.09.2018 gegen 23:00 Uhr waren die Verurteilten als Kellner eines Festzeltes auf der Wies'n in München tätig. Der Geschädigte hielt sich zu diesem Zeitpunkt im Außenbereich des Zeltes auf um zu rauchen. In unmittelbarer Nähe zum Geschädigten stand ein unbekannter Mann, der urinierte. Die Verurteilten gingen auf den Geschädigten zu und fragten ihn, wer der andere Mann gewesen sei und ob auch der Geschädigte uriniert hätte. Der ältere Bruder verlangte wiederholt vom Geschädigten zunächst 50,00 EUR und sodann 100,00 EUR für das Urinieren von ihm und dem unbekannten Mann. Dabei drückte er ihn in einem Seitenraum des Zeltes an eine Wand. Der Geschädigte kam dieser Aufforderung nicht nach. Der ältere Bruder schlug dem Geschädigten daraufhin mit der flachen Hand zweimal auf die linke Wange, um diesen zu verletzen und um ihn zur Herausgabe der 100,00 EUR zu veranlassen. Dadurch erlitt der Geschädigte ein Hämatom an der linken Backe.
Der jüngere Bruder unterstützte den älteren durch seine Anwesenheit und Äußerungen wie „Komm, gib's doch zu“. Außerdem forderte er, wenn auch in eher beschwichtigendem Tonfall, ebenfalls den Geschädigten dazu auf, das Geld herzugeben.
Beide Verurteilte räumten über ihre Verteidiger die Tat ein. Sie hätten zur heutigen Verhandlung jeweils 300 € an Schmerzensgeld in bar mitgebracht. Der Ältere fügte der Erklärung seines Anwalts hinzu: „Es ist schade, dass der Geschädigte heute nicht da ist. Ich hätte mich gern bei ihm entschuldigt. Ich bin seit 12 Jahren jedes Jahr auf der Wies'n. An dem Abend reagierte ich schlecht.“
Der Vorsitzende Richter begründete das Urteil des Schöffengerichts wie folgt:
„Da die beiden Angeklagten bereits in der Hauptverhandlung einen Schmerzensgeldbetrag von jeweils 300,00 EUR für den Geschädigten dabei hatten, dieser jedoch nur deshalb nicht hat übergeben werden können, da der Geschädigte zum Termin aufgrund urlaubsbedingter Verhinderung nicht erschienen war, konnte (...) eine Strafrahmenverschiebung (...) vorgenommen werden, so dass der Strafrahmen von einem Monat bis zu drei Jahren und neun Monaten reicht. Innerhalb des (...) Strafrahmens hat das Gericht jeweils zu Gunsten der beiden Angeklagten ihr Geständnis berücksichtigt, das von Reue und Schuldeinsicht getragen war. Darüber hinaus wurde zu Gunsten der Angeklagten berücksichtigt, dass es sich um ein situatives Geschehen handelte und nicht von langer Hand geplant war. Darüber hinaus konnte zu Gunsten der Angeklagten auch wiederum gewertet werden, dass der angestrebte Schaden mit 100,00 EUR relativ gering ausgefallen wäre. Zu Lasten der Angeklagten war jedoch zu sehen, dass sie ihre Überzahl gegenüber dem Geschädigten ausnutzten. (...) Die Verhängung einer - wenn auch nur kurzen - Freiheitsstrafe war vorliegend weder aus Gründen, um auf die Täter angemessen einwirken zu können, noch aus Gründen der Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich. Der (ältere) Angeklagte (...) arbeitet bereits seit 12 Jahren und der (jüngere) seit drei Jahren auf der Wies'n, wobei beide bislang noch nie wegen Aggressionsdelikten strafrechtlich in Erscheinung getreten waren.“
Urteil des Amtsgerichts München vom 24.06.2019, Aktenzeichen 843 Ls 235 Js 218302/18
Das Urteil ist rechtskräftig.
Klaus-Peter Jüngst