Pressemitteilung 64 vom 12.08.2019
Verspätete Rache
Wer in Selbstjustiz eine staatlicherseits nicht verfolgte Tat Jahre später rächt, um so auch die erlittene Tat gerichtlich aufklären zu lassen, wird hier enttäuscht
Am 26.06.2019 verurteilte die zuständige Strafrichterin am Amtsgericht München einen 50jährigen ledigen Kraftfahrer aus München wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 40 €.
Am 15.01.2019 gegen 13:30 Uhr verletzte der Angeklagte nach Überzeugung des Gerichts an deren Arbeitsplatz in München die 52jährige verheiratete geschädigte Reinigungskraft, indem er dieser mindestens drei Schläge von hinten gegen den Kopf versetzte, wobei er sie seitlich im Bereich der linken Schläfe, des linken Auges und einmal am Hinterkopf traf. Dadurch erlitt die Geschädigte eine Prellmarke und ein frisches Hämatom über der linken Wange sowie eine Schädelprellung. Die Geschädigte wurde durch einen Rettungswagen in das Klinikum „Rechts der Isar“ verbracht, wo ihr eine Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich 21.01.2019 attestiert wurde. Die Geschädigte leidet bis heute unter Angstzuständen und Schlaflosigkeit und befindet sich deswegen in ärztlicher Behandlung.
Der Angeklagte räumt ein, der Geschädigten eine Ohrfeige gegeben zu haben, die dies durch ihr Verhalten sozusagen billigend in Kauf genommen habe. Er sei von ihr im Jahr 2017 mit einem Wischmopp geschlagen und auch bei anderen Gelegenheiten beleidigt und bespuckt worden. Das damals bei der Staatsanwaltschaft München I geführte Ermittlungsverfahren ist eingestellt worden. Da die Geschädigte somit straffrei davongekommen sei und sich nicht habe vor einem Gericht verantworten müssen, sehe es der Angeklagte als sein gutes Recht an, nun Rache zu üben. Er habe bewusst ein neues Verfahren provoziert und eine Anklage in Kauf genommen, damit sich die Geschädigte endlich auch selbst vor Gericht verantworten müsse, da Polizei und Justizbehörden damals nichts unternommen hätten. Auf die Aussage der Geschädigten reagierte er mit den Worten: „Das ist wie in Absurdistan. Es war nur eine Watsche.“
Die Geschädigte gab an, damals im Beisein ihrer Kollegin eine Glastür geputzt zu haben, als sich ihr der Angeklagte von hinten genähert und auf den Kopf geschlagen habe. „Der Schlag auf meinen Kopf war heftig. Ich drehte mich um, wer es ist. Ich kam mit meiner Schulter an der Wand auf und ging zu Boden. (...) Mir war übel und auch schwindlig (...)
Er kam einmal. (...), sagte „Schöne Frau.“ Es war Ramadan, Fastenzeit. Er kam, beleidigte mich. Dann wollte er mich anfassen. Ich habe mich gewehrt. Ich habe gesagt „Bitte, geh weg.“ (...) Ich hatte vorher kein Problem mit ihm.
Ihre Kollegin bestätigte weitgehend die Angaben der Geschädigten und bestätige auf Nachfrage: „Ja, ich habe ihn auf den Vorfall angesprochen. Ich fragte, warum er das macht. Er sagte: Auge um Auge, Zahn um Zahn.“
Der Angeklagte erklärte in seinem letzten Wort: „Die Staatsanwaltschaft und Nebenklage glauben an die Schilderungen der Damen. Selig die Gläubigen. Es ist äußerst kritisch. Ich beantrage die Einstellung.“
Die Richterin folgte den Angaben der Geschädigten und ihrer Kollegin. Eine Notwehr- oder Notstandslage habe nicht mehr bestanden, der Angeklagte habe aus reiner Rachsucht gehandelt.
Sie wertete zugunsten des Angeklagten, dass „...es im Jahr 2017 bereits zu einer Auseinandersetzung zwischen ihm und der Geschädigten gekommen war. Ferner wurde zugunsten des Angeklagten bewertet, dass er zumindest einen Schlag mit der flachen Hand in das Gesicht der Geschädigten einräumte.
Zu Lasten des Angeklagten war jedoch zu sehen, dass dieser sich in keinster Weise schuld- oder unrechtseinsichtig zeigte. Bis zum Schluss der Hauptverhandlung beharrte er darauf, dass es sein gutes Recht gewesen sei, die Geschädigte zu schlagen, nachdem die Justizbehörden ja versagt hätten. Ferner war zu Lasten des Angeklagten zu werten, dass er bereits strafrechtlich (durch einen im März 2018 begangenen Diebstahl) in Erscheinung getreten ist.
Urteil des Amtsgerichts München vom 26.06.2019, Aktenzeichen 843 Cs 241 Js 122247/19
Das Urteil ist nach beiderseits eingelegter Berufung nicht rechtskräftig.
Klaus-Peter Jüngst