Pressemitteilung 88 vom 08.11.2019
Briefmarkenbetrüger
Vorwurf des Betrugs durch Wiederverwendung einer bereits einmal aufgeklebten Briefmarke durch Vergleich ausgeräumt
Vor dem Amtsgericht München wurde am 18.09.2019 die Klage einer Münchener Rechtsanwalts-GmbH gegen ihren früheren Mandanten, einem Zahntechniker aus dem Landkreis München, auf Erstattung ihrer Kosten durch Vergleich beendet. Die Anwaltskanzlei hatte den Beklagten erfolglos aufgefordert, sich durch Unterlassungserklärung dazu zu verpflichten, nicht weiter zu behaupten, einer ihrer Anwälte verwende in betrügerischer Weise Briefmarken doppelt.
Der Beklagte hatte dem Rechtsanwalt in einer Mail vom 20.12.2017 vorgeworfen, im April 2017 eine gebrauchte Briefmarke mittels Tesa auf ein an ihn gerichtetes Schreiben angebracht zu haben, was laut Aussage seines Postamtes Betrug sei. Dies könne man auch in Internetforen nachlesen. Eine Anzeige, auch an die Rechtsanwaltskammer, behalte er sich vor, wünsche gleichwohl schöne Festtage und ein gutes Neues Jahr.
Der Anwalt verlangte mit Schreiben vom 27.12.2017 unter Fristsetzung die Abgabe einer Unterlassungserklärung mit dem Inhalt, künftig nicht mehr zu behaupten, der Anwalt habe durch die Benutzung gebrauchter Briefmarken einen Betrug begangen und wünschte gleichwohl ebenfalls ein gutes Neues Jahr.
Dessen ungeachtet beschwerte sich der Beklagte bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer darüber, dass der Anwalt gebrauchte Briefmarken erneut zur Versendung verwende.
Der Anwalt trug der Rechtsanwaltskammer nun vor, dass eine Mitarbeiterin der Kanzlei mit einem ein an den Beklagten gerichteten Schreiben vom 10.4.2017 auf dem Weg zum Briefkasten so in den Regen gekommen sei, dass der Umschlag völlig durchnässt worden wäre. Sie habe einen neuen Umschlag genommen, die ursprüngliche ungebrauchte Briefmarke ausgeschnitten und mittels Tesafilm auf den neuen Umschlag angebracht.
Die Anwaltskammer wies daraufhin die Beschwerde als unbegründet zurück.
Eine vom Anwalt dem Beklagten erneut zugesandte Aufforderung zur Unterzeichnung einer Unterlassungserklärung mit nunmehr beigelegter Rechnung über daraus enstandene Anwaltsgebühren von 492,54 Euro blieb unbeachtet.
Mit ihrer Klage verfolgte die Anwalts-GmbH nun ausschließlich ihren Gebührenanspruch.
Der Beklagte berief sich darauf, dass er für das damalige Schreiben des Anwalts bei der Post eine Nachgebühr habe zahlen müssen. Sein Zusteller sei sehr ungehalten darüber gewesen, dass Rechtsanwälte so verfahren würden. Nach den Geschäftsbedingungen der Post AG dürfe man unbrauchbar gewordene „verdorbene“ Briefmarken nur in Poststellen gegen neue umtauschen, bereits aufgeklebte Briefmarken auch nur auf dem ursprünglichen Briefumschlag. Keinesfalls dürfe man sie aber zur Frankierung verwenden.
Der zuständige Richter am Amtsgericht wies im schriftlichen Verfahren darauf hin, dass hier die Briefmarke nicht zur Versendung eines anderen, sondern desselben nur neuverpackten Briefes Verwendung finden sollte, was trotz eventuellen Verstoßes gegen die Geschäftsbedingungen zulässig sein sollte, aber keinesfalls als Betrug gewertet werden könne. Er riet dem Beklagten, die auch ansonsten rechtlich nicht zu beanstandende Forderung anzuerkennen.
In der vom Beklagten beantragten mündlichen Verhandlung schilderte er vor Gericht nochmals, dass der ihm seit 30 Jahren nur mit Vornamen bekannte Postbote ihm gesagt habe, dass er ein Kuvert erhalten hätte, das er aber wieder mitnehmen müsse. „Der Postbote war verwundert, er sagte, seien sie nicht böse, aber das geht so nicht. Wissen Sie was, das ist Betrug.“
Der Richter erörterte in dem der eigentlichen streitigen Verhandlung vorausgehenden Güteversuch noch einmal eingehend die Sach- und Rechtslage so verständlich, dass sich der Beklagte schlussendlich in einem protokollierten Vergleich dazu verpflichtete den Großteil der geforderten Summe, nämlich 400 Euro an die Klagepartei zu zahlen. Er erklärte auch, dass er die in der Email vom 20.12.2017 aufgestellte Behauptung, wonach die Klägerin sich betrügerisch verhalten habe durch Wiederverwendung einer bereits aufgeklebten Briefmarke, nicht weiter aufrechterhalten werde. Darüber hinaus verpflichtete er sich zur Tragung der Verfahrens- und Vergleichskosten von hier wohl 316,23 Euro.
Vergleich protokolliert vom Amtsgerichts München am 18.09.2019, Aktenzeichen 171 C 7242/19
Klaus-Peter Jüngst