Pressemitteilung 97 vom 09.12.2019
Pizzaliebhaber
Übermäßiger Alkoholkonsum lässt Pizzahunger ausarten
Am 27.11.2019 verurteilte der zuständige Jugendstrafrichter am Amtsgericht München einen 19jährigen Münchner Konditor-Azubi wegen versuchter Körperverletzung, Diebstahl und Sachbeschädigung zur Teilnahme an einem umweltpädagogischen Arbeitswochenende und unterstellte ihn für sechs Monate der Betreuung und Aufsicht eines Sozialpädagogen, dessen Anweisungen hinsichtlich Arbeit, Berufsausbildung und Freizeitgestaltung er pünktlich und zuverlässig Folge zu leisten hat.
Am 28.02.2019 gegen 00:45 Uhr trat der Angeklagte auf Höhe des Busbahnhofs in der Willy-Brandt-Allee in München-Messestadt Riem auf die Fahrbahn, wodurch der geschädigte Pizzalieferant am Steuer seines Fahrzeugs zum Anhalten gezwungen wurde. Der Angeklagte öffnete die Beifahrertüre und fragte den Geschädigten nach einer Zigarette. Als dieser verneinte, schlug der Angeklagte mit der Faust in Richtung des Geschädigten wobei er ihn aber nicht traf. Der Geschädigte packte daraufhin seinen Geldbeutel, zog den Fahrzeugschlüssel aus dem Zündschloss und flüchtete. Der Angeklagte setzte sich in den PKW und aß dort die auszuliefernde Pizza im Wert von 6 Euro auf. Danach verließ er das Fahrzeug wieder und sprang nun unter lautem Geschrei auf der Motorhaube und dem Dach des Wagens umher. Dadurch verursachte er einen Sachschaden von ca. 3.000 Euro.
Der freiwillige Atemalkoholtest des Angeklagten um 1:11 Uhr erbrachte einen Wert von 1,19 mg/I, also von rund 2,4 Promille.
In der Hauptverhandlung erklärte der Angeklagte: „Ich habe den Mann nicht mal angelangt. Ich war besoffen, bin auf dem Auto auch rumgesprungen. Ich würde den Schaden auch zahlen den ich verursacht habe. Die Pizza habe ich auch gegessen wie angeklagt. Ich gehe jetzt seit zwei Monaten zu den Anonymen Alkoholikern. Ich habe ein Alkoholproblem, ich arbeite gerade an mir. Es ist mir wichtig das ich mich bessere. Ich habe mir durch die Sucht selbst geschadet und vielen anderen. In den letzten Jahren habe ich nicht eingesehen das ich durch den Alkohol nur was unterdrücke, habe immer weitergesoffen und dann immer Mist gebaut im Suff. Ich weiß nur, dass ich eine Zigarette haben wollte.“
Der Zeuge gab an: „Zur Tatzeit bin ich dort bei dem Platz rechts abgebogen. Ich sah den Angeklagten und noch jemand an der Haltestelle. Plötzlich läuft er vor mein Auto, also sprang davor. Ich konnte anhalten. Er kam auf die Beifahrerseite, er fragte mich ob ich eine Zigarette habe. Ich sagte das ich keine habe und Nichtraucher bin. Er setzte sich dann rein ins Auto. Mein Geldbeutel war dort in der Mitte wo die Handbremse ist. Er hat meinen Geldbeutel angeschaut, ich nahm den dann sofort zu mir und den Zündschlüssel raus. (…) Er machte eine Bewegung in meine Richtung, ich bin sofort ausgestiegen. Mir war klar, dass er Probleme macht. (…) Er stieg dann auch aus, er stieg auf die Motorhaube und dann über das Dach auf die Vorderseite. (…) Ich versuchte den Angeklagten nicht zu stoppen, ich hatte zwar keine Angst, aber ich habe Frau und Kinder. Ich wollte einfach keinen Ärger.
Der zuständige Jugendrichter wendete wegen der festgestellten Reiferückstände Jugendrecht an und begründete sein Urteil weiter wie folgt:
„Bei der Ahndung wurde sein teilweises Geständnis, seine Entschuldigung beim Geschädigten in der Hauptverhandlung und seine alkoholbedingte Enthemmung in Rechnung gestellt. Nicht übersehen werden konnten die Voreintragungen (…).“
(Der Angeklagte war im September 2017 wegen gemeinschaftlichen Diebstahls von Sportartikeln und Cola-Whiskey-Dosen zu Lesestunden und Alkoholberatungsgesprächen verurteilt worden und stand damals wegen psychischer Probleme seiner Mutter unter anderweitiger Vormundschaft. Im Januar 2019 war er wegen wiederholten Schwarzfahrens zu allgemeinen Beratungsgesprächen verurteilt worden. Seine Mutter habe ihm wegen ihrer Probleme kein Fahrgeld gegeben.)
„Zur erzieherischen Einwirkung war er anzuweisen, an einem umweltpädagogischen Arbeitswochenende teilzunehmen. Um mit seinem Leben und seinen Problemen besser zurechtzukommen, hat er sich auf die Dauer eines halben Jahres einer Weisungsbetreuung zu unterstellen.“
Urteil des Amtsgerichts München vom 27.11.2019, Aktenzeichen 1015 Ds 457 Js 133922/19 jug
Das Urteil wurde sogleich rechtskräftig.
Klaus-Peter Jüngst