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Amtsgericht München

Amtsgericht München - Gebäude Maxburgstraße

Pressemitteilung 18 vom 15.05.2021

Übersensibel

Widerstand gegen und die Beleidigung von Polizisten führen zu Bewährungsstrafe

Am 29.04.2021 verurteilte der zuständige Strafrichter am Amtsgericht München einen 59jährigen Buchhalter aus München wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und vier Fällen der Beleidigung zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten und zwei Wochen und legte ihm die Zahlung von 1.000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung auf.

Am 17.05.2020 gegen 01.00 Uhr folgte der deutlich alkoholisierte Angeklagte einer ihm unbekannten jungen Frau im Bereich des Untergeschosses am Hauptbahnhof in München selbst noch als diese sich in einen Laden flüchtete und versuchte diese anzusprechen. Deswegen entschloss sich eine Polizeistreife, die Identität des Angeklagten festzustellen und eine Gefährderansprache durchzuführen.
Bereits auf die erste Ansprache schrie der Angeklagte laut „Fickt euch“ und nannte die Beamtin „Arschloch“. Als der Beamte ihn beruhigen wollte, schrie er diesen an „Fick dich, du hast mir gar nichts zu sagen“. Um vier weitere Polizisten verstärkt wollte man ihn auf die Dienststelle bringen, um seine Identität festzustellen. Trotz vorangegangener Androhung des Einsatzes unmittelbaren Zwangs schlug er wild um sich und hob schließlich die Hand gegen die Beamtin, so dass er durch sie und eine weitere Polizistin zu Boden gebracht und gefesselt wurde. Nach Abschluss der Feststellungen, u.a. einer Atemalkoholisierung von 2,48 Promille auf der Wache fuhren drei Beamte den Angeklagten zu seiner Wohnung, auch um neuen Vorfällen vorzubeugen. Dabei sagte sie der Angeklagte, dass sie Nazis seien und Menschen umbringen würden.

Der Angeklagte hatte gegen einen Strafbefehl, der eine sechsmonatige Bewährungsstrafe bei einer Geldauflage von 750 Euro vorgesehen hätte, Einspruch eingelegt. Er bestritt, die junge Frau verfolgt und angesprochen zu haben, stellte den weiteren Ablauf aber nicht in Frage. „Mein Vater war über 20 Jahre im Polizeidienst. (…). Ich war nur laut geworden. Von der Polizei war das Verhalten nicht gerechtfertigt. Ein älterer Polizeibeamter hätte sich nie so verhalten wie die jungen Polizeibeamten (…).In der Stadt war viel Polizei unterwegs. Die Beamten waren übersensibel.“ Eine ihm vom Gericht nahegelegte Rücknahme des Einspruchs lehnte er ab.

Der Beamte erklärte als Zeuge: „Mit meiner Kollegin sah ich, dass ein Angetrunkener einer knapp bekleideten Dame hinterherlief und sehr lallend sprach. (…) Die Frau nahm das Telefon heraus und tat so als ob sie telefonieren würde. Meine Kollegin lief der Frau hinterher; sie sagte, dass sie keine Unterstützung braucht. (…) Mit der Leitstelle glich ich die Daten ab. Der Angeklagte wurde immer lauter und sagte „fick dich, du hast mir gar nichts zu sagen“, was auch die Leitstelle hörte und uns Unterstützung schickte. Die Personalien des Angeklagten waren nicht zweifelsfrei festzustellen, weshalb wir ihn zur Polizeiinspektion mitnahmen. (…) Dort wurde eine Atemalkoholkontrolle gemacht. (…) Nach den Maßnahmen fuhren wir den gefesselten Angeklagten aufgrund seines unsicheren Ganges und der Befürchtung, dass dasselbe nochmals passiert, wenn wir ihn im Hauptbahnhof freilassen, nach Hause. (…) Der Angeklagte sagte die ganze Zeit, dass er Jurist ist und unser Vorgehen falsch ist.“

Der Angeklagte erklärte in seinem letzten Wort: „Ich befürchte, dass ich zu Unrecht verurteilt werde. Die Rechtmäßigkeit der polizeilichen Maßnahme könnte nur ein Verwaltungsgericht prüfen. Ich studierte 24 Semester Jura.“

Der Strafrichter begründete das getroffene Urteil u.a. wie folgt:
„Allein schon aufgrund der erheblichen Alkoholisierung des Angeklagten war die Anhaltung und die Identitätsfeststellung erforderlich. Dies gilt umso mehr, als der Angeklagte offenbar betrunken einer jungen ihm unbekannten Frau nachgestellt hat. Dass der Angeklagte in alkoholisiertem Zustand, gerade in dem Zeitraum zwischen 00.00 Uhr und 01.00 Uhr, vermehrt, zum Teil nicht unerhebliche Vorsatzstraftaten begeht, ergibt sich aus den im Hauptverhandlungstermin verlesenen Vorstrafenakten. Spätestens unter diesen Umständen muss eigentlich auch dem Angeklagten klar sein, dass das Vorgehen der Polizeibeamten nicht nur rechtmäßig, sondern dringend erforderlich war. (…)
Eine geständige Einlassung konnte das Gericht nicht berücksichtigen, da der Angeklagte zum einen die Sachverhalte nicht als solche eingeräumt hat und zum zweiten aufgrund seines Verhaltens in der Hauptverhandlung, welches das aggressive Verhalten zum Tatzeitpunkt durchaus nachvollziehbar gemacht hat, gezeigt hat, dass er über keinerlei Schuldeinsicht und Reue verfügt. Zu Lasten des Angeklagten musste gesehen werden, dass es sich zum einen um üble Beleidigungen handelt und diese zudem auch gegenüber Polizeibeamten geäußert wurden. (…) Zuletzt muss gesehen werden, dass der Angeklagte jeweils mit erheblicher Intensität agiert hat, was sich daraus ergibt, dass er jeweils mehrere Straftatbestände gleichzeitig verwirklicht hat.“

Urteil des Amtsgerichts München vom 29.04.2021, Aktenzeichen 844 Ds 268 Js 168459/20

Das Urteil ist aufgrund beidseitiger Berufung nicht rechtskräftig

Klaus-Peter Jüngst

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