Pressemitteilung 20 vom 03.07.2023
Haftung des Segelschülers bei Bootsunfall
Im Streit um Schadensersatz wegen der Beschädigung eines gemieteten Segelschiffes wies das Amtsgericht München die Klage des Betreibers einer Segelschule auf Zahlung von 1.991,60 EUR ab.
Der Beklagte hatte bei dem Kläger einen 10-tägigen Segelausbildungstörn in Kroatien im April 2022 gebucht, der auf den Erwerb eines Sportküstenschifferscheins vorbereiten sollte. Das Segelschiff hatte der Kläger vor Ort angemietet.
Beim Anlegen des Segelschiffs am Steg zwei Tage vor dem Prüfungstermin am Ende des Segeltörns beschädigte der Beklagte das Segelschiff, indem er das Schiff entgegen der Anweisung des Schiffsführers nicht nach Steuerbord lenkte und das Schiff gegen den Betonsteg fuhr. Der Kläger glich den Schaden in Höhe von 1.991,60 EUR gegenüber dem Vermieter des Schiffes aus und verlangte mit seiner Klage den Betrag vom Beklagten ersetzt.
Das Gericht wies die Klage ab und begründete dies wie folgt:
„Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen der Beschädigung des gecharterten Segelbootes.
Ein Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB (i.V.m. Vertrag) wegen einer Pflichtverletzung des Beklagten anlässlich des Anlegemanövers besteht nicht.
Nach dem geschlossenen Vertrag schuldete der Kläger dem Beklagten eine Ausbildung zum Führen von Segelbooten. Für die Haftung des Beklagten kann daher an die Fälle der Haftung des KFZ-Fahrschülers angeknüpft werden. Danach war der Beklagte „Schüler“. Es ist daher auf die „im Verkehr erforderliche Sorgfalt“ dieses Verkehrskreises abzustellen, hier also auf einen Segelschüler im Ausbildungsstand des Beklagten. Danach fehlt es an einer Pflichtverletzung.
Der Kläger trägt keinen Sachverhalt vor, wonach von einem Segelschüler dieses Ausbildungsstandes das fehlerfreie Ausführen des zum Unfall führenden Manöver erwartet werden konnte und musste. Allein der Vortrag „entgegen der Anweisung das Ruder nicht Steuerbord gelenkt“ zu haben, versetzt das Gericht nicht in die Lage, hieraus eine objektive Pflichtverletzung des Beklagten anzunehmen.
Dazu hätte dargestellt werden müssen, warum der Schiffsführer nicht eingegriffen hatte oder nicht eingreifen konnte. Der Schiffsführer hätte jedoch immer bereit sein müssen, selbst einzugreifen (wie ein Fahrlehrer), wenn der Schüler ein Manöver durchführen soll. Der Kläger trägt nicht vor, dass der Beklagte eine völlig fernliegende – und von seinem Ausbildungsstand nicht zu erahnende – Reaktion/Handlung vorge-nommen hatte, die auch den Schiffsführer überraschen musste. Dagegen ist der Ausbildung immanent, dass das zuvor Gelernte noch nicht sofort und immer fehlerfrei vom Schüler umgesetzt wird. Dieses Risiko trägt der Ausbilder, nicht der Schüler.
Zudem meint das Gericht, dass zugunsten des Beklagten ein privilegierter Haftungsmaßstab gilt. Die Auslegung des Vertrages ergibt, dass ein stillschweigender Haftungsausschluss bei einfacher Fahrlässigkeit vereinbart wurde. Insoweit muss nämlich der (großzügige) Haftungsausschluss zugunsten des Klägers auch reziprok für den Beklagten als Schüler gelten. Dies gilt erst recht, weil gegenüber dem Beklagten kein Hinweis auf die erheblichen Haftungsrisiken erfolgte. Eine grobe Fahrlässigkeit des Beklagten steht aber nicht im Raum.“
Urteil des Amtsgerichts München vom 29.06.2023
Aktenzeichen des AG München: 191 C 14599/22
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
München, 03.07.2023
Pressestelle Amtsgericht München