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Bayerisches Oberstes Landesgericht

Pressemitteilung 3 vom 22.03.2023

Beschluss im Strafverfahren gegen Patrick H. wegen Volksverhetzung

„Impfen macht frei“

Der 6. Strafsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat zwei Urteile des Amtsgerichts München und des Landgerichts München I bestätigt, durch die ein sechsundvierzigjähriger Immobilienmanager wegen Volksverhetzung gem. § 130 Abs. 3 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt worden war.

Der Mann hatte im November 2020 über seinen öffentlich einsehbaren Facebook-Account ein zweigeteiltes Bild veröffentlicht, auf dessen unterer Hälfte der Eingang eines Konzentrationslagers mit dem Schriftzug „Arbeit macht frei“ über dem Eingangstor zu sehen war. In der oberen Bildhälfte wurde ebenfalls der Eingangsbereich eines Konzentrationslagers dargestellt, der Schriftzug über dem Eingangsbereich lautete dort „Impfen macht frei“. Außerdem waren zwei schwarz uniformierte Männer mit überdimensionalen Spritzen abgebildet. Der Angeklagte hatte das Bild mit dem Kommentar „Alles schon mal dagewesen“, und zwei Emojis versehen.  Es wurde mindestens 52-mal „geliked“ und mit 26 Kommentaren versehen.

Die Vorinstanzen waren nach der Anklage des Antisemitismusbeauftragten der Bayerischen Justiz Oberstaatsanwalt Andreas Franck davon ausgegangen, dass der Angeklagte mit dem Bild bewusst habe provozieren wollen. Er habe Ungeimpften suggeriert, dass sie Unrecht erlitten wie die Juden und andere Verfolgte in der NS-Zeit und dass es legitim sei, sich dagegen -  auch mit Gewalt - zu wehren. Dagegen wandte sich der Angeklagte mit der Revision, weil der Straftatbestand der Volksverhetzung gem. § 130 StGB nach seiner Meinung nicht erfüllt sei und er aufgrund der Verurteilung in seiner Meinungsfreiheit aus Art. 5 GG beschränkt werde.

Das Bayerische Oberste Landesgericht hat die Revision nun verworfen. Der Angeklagte habe die von den Nationalsozialisten im Dritten Reich in den Konzentrationslagern begangenen Massenmorde verharmlost. Er habe durch die Darstellung des Tors eines Konzentrationslagers den Bezug zu den Konzentrationslagern unter nationalsozialistischer Herrschaft und dem dort aus rassistischen Motiven begangenen Völkermord hergestellt. Durch die Darstellung der beiden schwarz uniformierten Männer mit den Spritzen in der Hand und des Tors eines Konzentrationslagers mit dem Schriftzug „Impfen macht frei“ habe der Angeklagte die im November 2020 erwartete Situation für Impfunwillige (die erste Zulassung eines Impfstoffs in Europa erfolgte erst am 21. Dezember 2020) mit der der Holocaustopfer im sog. Dritten Reich verglichen.

Damit habe er auch unter Beachtung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung in strafbarer Art und Weise die Verfolgung insbesondere von Juden im Dritten Reich bagatellisiert. Dieses Verhalten sei geeignet gewesen, den öffentlichen Frieden zu gefährden. Zum einen sei die Würde und das Ansehen der Überlebenden des Holocausts und ihrer Angehörigen in einem für das Gemeinwesen unerträglichen Maß betroffen gewesen, zum anderen habe die Erklärung Personen, die sich zu Unrecht von staatlichen Corona-Maßnahmen betroffen gefühlt hätten, suggeriert, ihnen werde ein den Gräueltaten der NS-Zeit vergleichbares Unrecht zugefügt, um sie nach Art eines geistigen Bandbeschleunigers aggressiv zu emotionalisieren.


BayObLG, Beschluss vom 20. März 2023, 206 StRR 1/23
Landgericht München I, Urteil vom 9.8.2022, 18 Ns 510 Js 371/21
Amtsgericht München, Urteil vom 24.3.2022, 833 Ds 510 Js 371/21


Dr. Laurent Lafleur
Richter am Oberlandesgericht
Pressesprecher des Bayerischen Obersten Landesgerichts