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Bayerisches Oberstes Landesgericht

Pressemitteilung 4 vom 08. Mai 2024

Urteil vom 6. Mai 2024, 203 StRR 111/24

Unmutskommentar im Internet - Freispruch bestätigt


Das Amtsgericht Weißenburg i. Bay. hat den Angeklagten aufgrund eines Internetkommentars mit Urteil vom 24. Mai 2023 wegen der Billigung von Straftaten zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen verurteilt. Das Landgericht Ansbach hat den Angeklagten in der Berufungsinstanz mit Urteil vom 14. November 2023 freigesprochen. Die gegen das Berufungsurteil gerichtete Revision der Generalstaatsanwaltschaft München hat der 3. Strafsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts mit Urteil vom 6. Mai 2024 als unbegründet zurückgewiesen.

 

Der Angeklagte hatte bereits in erster Instanz vor Gericht eingeräumt, am 23. Februar 2022 zu einer auf der Internetplattform YouTube veröffentlichten Reportage mit dem Titel „Verkehrschaos auf Frankenschnellweg: Aktivisten kleben sich auf Straße“ einen Kommentar verfasst und veröffentlicht zu haben. Dieser lautete: „Einfach drüber fahren selbst schuld wenn man so blöd is und sich auf die Straße klebt" (Schreibfehler übernommen).

 

Das Amtsgericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte hierdurch zum Ausdruck habe bringen wollen, dass er erhebliche Verletzungen oder gar die Tötung der Aktivisten durch Dritte gutheißen würde. Sein Kommentar sei auch geeignet gewesen, bei einer nicht unerheblichen Personenanzahl der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland eine Erschütterung des Vertrauens in die öffentliche Rechtssicherheit hervorzurufen, was der Angeklagte zumindest billigend in Kauf genommen habe. Es verurteilte ihn daher wegen der Billigung von Straftaten zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 50 €. Sowohl der Angeklagte als auch die Generalstaatsanwaltschaft München hatten hiergegen Berufung eingelegt.

 

In der Berufungsinstanz hat der Angeklagte vor Gericht erklärt, dass er den Kommentar lediglich als Beitrag zur öffentlichen Debatte, die teils heftig geführt werde, gemeint habe. Seine überspitzt formulierte Unmutsäußerung habe er keineswegs ernst gemeint. Er sei zudem davon ausgegangen, dass die Aussage auch nicht wörtlich genommen werde. Das Landgericht hielt diese Angaben für glaubhaft. Es sah in der Äußerung mangels Ernstlichkeit objektiv keine Eignung zur Störung, jedenfalls aber in subjektiver Hinsicht kein strafbares Handeln.

 

Der 3. Strafsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts bestätigte in seinem aufgrund der Hauptverhandlung vom 6. Mai 2024 verkündeten Urteil das Berufungsurteil des Landgerichts. Der Vorsitzende führte in der mündlichen Urteilsbegründung aus, dass bei Gewaltaufrufen oder Äußerungen, die zu Gewalt führen könnten, die Grenze der verfassungsrechtlich geschützten freien Meinungsäußerung überschritten werde. Sie können daher je nach den konkreten Umständen im Einzelfall nicht nur den Straftatbestand des Billigens von Straftaten, sondern auch den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllen. Der Vorsitzende verwies insoweit auch auf die Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts zu den Plakaten mit der Aufschrift „Hängt die Grünen“ (Pressemitteilung 11 vom 24. Oktober 2023). Das Revisionsgericht als Rechtskontrollinstanz sei aber an die Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden, insbesondere an die vom Landgericht als glaubhaft angesehene Erklärung des Angeklagten, er sei nicht davon ausgegangen, dass sein Kommentar als Aufruf zu tatsächlichen Angriffen auf Demonstrationsteilnehmer verstanden würde. Die Begründung im angefochtenen Berufungsurteil sei hinsichtlich der Feststellungen, welchen Sachverhalt das Gericht für erwiesen erachtet, zwar sehr knapp, aber noch ausreichend. Es handle sich aber aus Sicht des Senats um einen Grenzfall, in ähnlich gelagerten Fällen sei eine Verurteilung jedoch durchaus denkbar.

 

Rechtsmittel gegen diese Entscheidung gibt es nicht.

 

 

Tina Haase

Richterin am Oberlandesgericht

Pressesprecherin des Bayerischen Obersten Landesgerichts