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Bayerisches Oberstes Landesgericht

Pressemitteilung 8 vom 10. Juli 2024

Beschluss Az. 206 StRR 199/24

Strafverfahren gegen Christine H. (49 Jahre)

wegen des Verdachts der Volksverhetzung


Mit Beschluss vom 02.07.2024 hat das Bayerische Oberste Landesgericht auf die Revision der Angeklagten ein Urteil des Landgerichts Traunstein aufgehoben. Die Angeklagte war vom Amtsgericht Traunstein wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 20 € verurteilt worden. Ihre dagegen gerichtete Berufung wurde vom Landgericht Traunstein verworfen.

Nach den Feststellungen des Landgerichts trug die Angeklagte im Rahmen einer Demonstration gegen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Covid19-Pandemie im Jahr 2022 an einem Arm ihres Mantels eine gelbe Binde mit der Aufschrift „ungeimpft“ und im linken Brustbereich einen weißen Button, der einen Davidstern mit der Aufschrift „ungeimpft“ zeigte.

Das Landgericht ging davon aus, dass die Angeklagte damit die Judenverfolgung im sog. „Dritten Reich“ und die systematisch betriebene Vernichtung der Juden verharmlost habe.

Der 6. Strafsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hält dieses Auslegungsergebnis für möglich, bemängelte aber, dass es nicht hinreichend mit insoweit erforderlichen Feststellungen begründet worden sei. Das Gericht bezieht sich zunächst auf seine ständige Rechtsprechung, wonach die Verwendung eines Davidsterns je nach den Umständen des Einzelfalls eine Assoziation an den Holocaust hervorrufen könne und daher bei Hinzutreten der weiteren gesetzlichen Voraussetzungen grundsätzlich den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen könne (§ 130 Abs. 3 StGB).

Einer insoweit abweichende Beurteilung des OLG Braunschweig folgte der Senat nicht. Der Davidstern stehe zum einen als Symbol für die Ausgrenzung und Diskriminierung der Juden, nicht nur von staatlicher Seite, sondern auch aus der Gesellschaft heraus. Durch die ”Polizeiverordnung über die Kennzeichnung der Juden" vom 1. September 1941 seien Juden verpflichtet worden, den gelben Judenstern „sichtbar auf der linken Brustseite des Kleidungsstückes in Herznähe fest aufgenäht zu tragen". Verstöße gegen diese Tragepflicht seien auch durch Deportation oder Zuführung in das nächstgelegene Konzentrationslager geahndet worden. Die schon zuvor eingeführten vielfältigen Beschränkungen für Juden hätten sich nach Einführung der äußerlichen Kennzeichnung leichter kontrollieren lassen. Im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Verordnung begannen im Oktober 1941 die Deportationen; auch diese seien durch die Kennzeichnung entscheidend erleichtert worden.

Die tatsächlichen Feststellungen zu den konkreten Umständen des Einzelfalls waren aus Sicht des Senats allerdings nicht ausreichend, um den Bezug zum Holocaust überzeugend herzustellen. Auch sei nicht genügend herausgearbeitet worden, warum in dem Tragen des Symbols ein Verharmlosen des Holocausts zu sehen sei. Das Bayerische Oberste Landesgericht verwies das Verfahren zur erneuten Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Traunstein zurück.

 

 

 

Dr. Laurent Lafleur

Leiter der Pressestelle für Strafsachen

Richter am Oberlandesgericht