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Bayerisches Oberstes Landesgericht

Pressemitteilung 9 vom 25. Juli 2024

Verhandlung des Bayerischen Obersten Landesgerichts (BayObLG) über ein den Bau des Kramertunnels betreffendes Vergabeverfahren am 1. August 2024

 

Der Vergabesenat des BayObLG verhandelt am 1. August 2024 über den Ausschluss eines Unternehmens (im Folgenden: Antragstellerin) von einem Vergabeverfahren, das restliche Bauarbeiten an der Innenschale des Kramertunnels zum Gegenstand hat (Az. Verg 6/24 e). Die öffentliche Sitzung beginnt am 1. August 2024 um 9:45 Uhr und findet in der Schleißheimer Straße 141 in München im Sitzungssaal 116 statt.

Bei dem Kramertunnel handelt es sich um ein großes Tunnelbauwerk im Rahmen der Verlegung der Bundesstraße B 23 westlich von Garmisch-Partenkirchen. Mit dessen Bau war im Jahr 2019 eine Arbeitsgemeinschaft von Bauunternehmen (ARGE) beauftragt worden. Zwischen der ARGE und dem öffentlichen Auftraggeber kam es im Verlauf der Ausführung des Auftrags zu Streitigkeiten über Abschlagszahlungen und Mehrvergütungsansprüche, die im August 2023 zu einer Einstellung der Bauarbeiten und zur Kündigung des Bauvertrags zunächst durch die ARGE und später durch den Auftraggeber führten. Im November 2023 schrieb der Freistaat Bayern (im Folgenden: Antragsgegner) die Restarbeiten in einem sog. nicht offenen Verfahren mit Teilnahmewettbewerb europaweit aus. An diesem Vergabeverfahren beteiligte sich auch die Antragstellerin, eine Bewerbergemeinschaft, deren bevollmächtigte Vertreterin auch vertretungsberechtigtes Mitglied der ursprünglich beauftragten ARGE war. Der Antragsgegner schloss die Antragstellerin unter Berufung auf § 124 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 7 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB; Wortlaut siehe unten) von der Teilnahme aus. Dagegen stellte die Antragstellerin bei der zuständigen Vergabekammer Südbayern einen Nachprüfungsantrag.

Die Vergabekammer Südbayern gab dem Nachprüfungsantrag der Antragstellerin mit Beschluss vom 4. April 2024 statt und erklärte den Ausschluss des Teilnahmeantrags der Antragstellerin für rechtswidrig. Dem Antragsgegner wurde aufgegeben, den Teilnahmeantrag der Antragstellerin unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut zu bewerten. Der Antragsgegner habe nicht in der erforderlichen Weise darlegen und beweisen können, dass die Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB gegeben seien. Es lägen keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vor, dass die ARGE mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht berechtigt gewesen wäre, wegen Zahlungsverzugs die Arbeiten einzustellen bzw. den Vertrag zu kündigen. Zudem sei die dokumentierte Ermessensausübung des Antragsgegners in Bezug auf § 124 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 7 GWB fehlerhaft.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsgegner mit seiner sofortigen Beschwerde, die Gegenstand der Verhandlung des Vergabesenats am 1.August 2024 ist.

§ 124 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 7 GWB lauten auszugsweise:

„(1) Öffentliche Auftraggeber können unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn

[…]

3. das Unternehmen im Rahmen der beruflichen Tätigkeit nachweislich eine schwere Verfehlung begangen hat, durch die die Integrität des Unternehmens infrage gestellt wird;

[…]

7. das Unternehmen eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags oder Konzessionsvertrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt hat und dies zu einer vorzeitigen Beendigung, zu Schadensersatz oder zu einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat,

[…]“

 

Dr. Paul Heinrichsmeier
Vizepräsident des Bayerischen Obersten Landesgerichts
Pressesprecher des Bayerischen Obersten Landesgerichts