Pressemitteilung 17 vom 11.10.2021
Verfahrenskomplex „Wolf of Sofia“ – Anklageerhebung wegen betrügerischen Cybertradings
Bamberg. Nach jahrelangen intensiven Ermittlungen gemeinsam mit der Kriminalpolizeiinspektion mit Zentralaufgaben Unterfranken und dem Polizeipräsidium München in mehreren Staaten gegen eine Bande international agierender Anlagebetrüger hat die Zentralstelle Cybercrime Bayern Anfang August 2021 Anklage gegen einen mutmaßlichen Tatbeteiligten aus der obersten Führungsebene erhoben. Ihm werden gewerbs- und bandenmäßiger Betrug in mehr als 300 Fällen in Form des sog. Cybertradings sowie die Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung als Rädelsführer zur Last gelegt. Der 44-jährige israelische Angeschuldigte muss sich vor einer Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts München I verantworten.
Dem Angeschuldigten wird konkret vorgeworfen, ab Ende 2015 hochrangiges Mitglied einer professionell organisierten und hierarchisch strukturierten Tätergruppierung, die sich zur fortdauernden Begehung von Betrugstaten in Form des betrügerischen Cybertradings zusammengeschlossen hatte, gewesen zu sein (Verfahrenskomplex „Wolf of Sofia“).
Die Tätergruppierung betrieb bis März 2019 zum Teil parallel, zum Teil nacheinander auf unterschiedlichen Domains u.a. die Trading-Plattformen Safemarkets, OptionStarsGlobal, Cryptopoint und XTraderFX. Sie unterhielt mehrere Callcenter im Ausland, u.a. in Bulgarien, Serbien, Bosnien und Herzegowina und Georgien. In diesen unternehmensgleich organisierten, in verschiedene Abteilungen untergliederten Callcentern waren mehrere hundert Mitarbeiter tätig. Die Gruppierung zielte nicht nur auf Opfer aus dem deutschsprachigen Raum, sondern auch auf Bürger anderer Staaten, z. B. aus dem englischsprachigen Raum.
Ausgehend von den angezeigten Fällen in Deutschland und einzelnen übernommenen Verfahren aus Österreich und der Schweiz wird dem Angeschuldigten vorgeworfen, für einen gemeinsam mit seinen Mittätern im Zeitraum März 2016 bis März 2019 bei 335 Personen verursachten Gesamtschaden in Höhe von ca. 8,7 Millionen EUR verantwortlich zu sein. Von einem erheblichen Dunkelfeld ist auszugehen. Dem Angeschuldigten selbst soll ein Tatertrag von mindestens 760.000 EUR zugeflossen sein.
Der israelische Staatsangehörige soll zu der obersten Führungsspitze gehört und als „Vice President Sales“ innerhalb des Managements eine wesentliche Rolle eingenommen haben. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen war er in die Organisation und Leitung der Callcenter der Gruppierung eingebunden und stand im operativen Bereich an deren Spitze. In der Anklageschrift wird ihm vorgeworfen, das auf Anlagebetrug ausgerichtete Tagesgeschäft der Abteilung "Sales“ betreut und dirigiert zu haben.
In dem Gesamtkomplex kam es – nach ersten operativen Maßnahmen der österreichischen Ermittlungsbehörden im Januar 2019 – Anfang April 2020 im Rahmen einer konzertierten Aktion von Strafverfolgungsbehörden aus Deutschland, Österreich, Serbien und Bulgarien zu zahlreichen Festnahmen, Durchsuchungen, Beschlagnahmen und weiteren Maßnahmen in Sofia und Belgrad. Im Rahmen dieses „Action Days“ konnten u.a. neun Tatbeteiligte dingfest gemacht werden (siehe Pressemitteilung vom 04.07.2020).
Der Angeschuldigte konnte einige Monate später aufgrund eines von der Zentralstelle Cybercrime Bayern erwirkten Europäischen Haftbefehls am Flughafen Athen ebenfalls festgenommen werden. Er befand sich ab Mitte Juli 2020 in Auslieferungshaft und wurde schließlich im November 2020 von Griechenland nach Deutschland überstellt. Er befindet sich seitdem fortdauernd in Untersuchungshaft.
In dem Gesamtkomplex liegen in Deutschland bereits erste von der ZCB erwirkte Verurteilungen vor. Zwei Mittäter, die im April 2020 in Sofia festgenommen werden konnten, wurden nach Auslieferung nach Deutschland im Juni 2021 nach Abgabe vollumfänglicher Geständnisse vom Landgericht Würzburg in zwei getrennten Prozessen zu Freiheitsstrafen von 2 Jahren 9 Monaten (rechtskräftig) und 4 Jahren 6 Monaten (nicht rechtskräftig) verurteilt. Die im Rahmen des Action Days in Belgrad festgenommenen Mittäter warten dort auf ihren Prozess.
Über die Zulassung der Anklage und die Eröffnung des Hauptverfahrens muss jetzt eine Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts München I entscheiden.
Für den gewerbs- und bandenmäßigen Betrug sieht das Gesetz eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren vor.