Pressemitteilung Nr. 6/2025 vom 17.03.2025
Cyberbetrug im großen Stil – Anklageerhebung gegen Führungsperson 3 Jahre nach Razzia in Albanien
Bamberg. Nach jahrelangen intensiven Ermittlungen hat die Zentralstelle Cybercrime Bayern Mitte Februar 2025 Anklage gegen einen der mutmaßlichen Köpfe eines internationalen Betrugsnetzwerks erhoben. Dem Angeschuldigten, der der obersten Führungsebene zugerechnet wird, liegt gewerbs- und bandenmäßiger Betrug in sechs Fällen zur Last. Der 42-jährige israelische Staatsangehörige muss sich vor der im Oktober 2024 neu eingerichteten Cyber-Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Bamberg wegen eines Gesamtschadens von mehr als 7,6 Millionen Euro verantworten. Gegen mehrere bereits abgeurteilte Mittäter wurden zuletzt in Albanien und Bayern langjährige Freiheitsstrafen verhängt.
Dem Angeschuldigten wird nach den gemeinsam mit den Kriminalpolizeiinspektionen Ingolstadt und Bayreuth sowie albanischen Ermittlungsbehörden geführten Ermittlungen vorgeworfen, ab ca. 2016 bis Mitte 2021 hochrangiges Mitglied einer professionell organisierten und hierarchisch strukturierten Tätergruppierung, die sich zur fortdauernden Begehung von Betrugstaten in Form des betrügerischen Cybertradings zusammengeschlossen hatte, gewesen zu sein.
Nach der nun erhobenen Anklage betrieb das kriminelle Netzwerk in diesem Zeitraum zum Teil parallel, zum Teil nacheinander auf unterschiedlichen Domains mindestens sechs auf Investment-Betrug ausgelegte Trading-Plattformen, darunter die in Deutschland sehr „erfolgreichen“ Plattformen BrokerZ und Globalix. Das Betrugsnetzwerk unterhielt mehrere Callcenter im Ausland, unter anderem in Israel, Serbien und Albanien. Die Gruppierung zielte nicht nur auf Opfer aus dem deutschsprachigen Raum ab, sondern auch auf Bürger anderer Staaten, z. B. Griechenland und Großbritannien. Entsprechend warnten in mehreren Ländern die Finanzaufsichtsbehörden offiziell vor den Trading-Plattformen.
Ausgehend von den angezeigten Fällen in Deutschland wird dem Angeschuldigten vorgeworfen, für einen gemeinsam mit seinen Mittätern bei 105 identifizierten Personen verursachten Gesamtschaden in Höhe von etwas mehr als 7,6 Millionen EUR (brutto) verantwortlich zu sein. Das Dunkelfeld ist allerdings erheblich. Weltweit ist von einem deutlich höheren Gesamtschaden auszugehen.
Dem Angeschuldigten selbst soll im Laufe der Jahre für seine Beteiligung an dem Betrugsnetzwerk ein Betrag von mehreren Millionen Euro zugeflossen sein. Er soll zu der obersten Führungsspitze gehört und von dort aus wesentliche strategische und unternehmerische Entscheidungen letztverantwortlich getroffen haben. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen war er zwar in das operative Tagesgeschäft der Callcenter nicht direkt involviert, in die Organisation und Leitung der Netzwerks aber sehr eng eingebunden und z. B. für die Unternehmensentwicklung zuständig.
In dem Ermittlungskomplex kam es vor drei Jahren, am 16.03.2022, im Rahmen einer konzertierten Aktion in der albanischen Hauptstadt Tirana zu einem groß angelegten Zugriff. Zuvor war es nach wiederum mehrjährigen akribischen Ermittlungen der bayerischen Kriminalbeamten gelungen, das in Albanien unter einem Deckmantel operierende Callcenter der Gruppierung zu identifizieren und zu lokalisieren. Bei dem Einsatz durchsuchten die albanischen und deutschen Einsatzkräfte Räumlichkeiten mit mehr als 200 Arbeitsplätzen sowie eine IT-Firma. Im Rahmen dieses „Action Days“ wurden von den albanischen Behörden zahlreiche Personen vorläufig festgenommen, darunter der albanische Leiter des durchsuchten Callcenters (siehe Pressemitteilung vom 30.03.2022).
Im Rahmen der sehr aufwändigen Analyse des in Albanien sichergestellten elektronischen Beweismaterials und durch die weiteren Ermittlungen verdichtete sich der Tatverdacht weiter gegen den nun angeklagten Mann. Im Frühjahr 2024 erließ das Amtsgericht Bamberg schließlich aufgrund dringenden Tatverdachts antragsgemäß Haftbefehl. Bereits Anfang Juli 2024 konnte der Angeschuldigte am Flughafen Larnaca durch die zyprischen Behörden festgenommen werden. Mitte August 2024 erfolgte seine Auslieferung nach Deutschland. Er befindet sich seitdem fortdauernd in Untersuchungshaft.
In dem Verfahrenskomplex liegen bereits mehrere Verurteilungen vor. In Albanien wurden der Leiter des Callcenters in Tirana sowie der IT-Verantwortliche nach Anklageerhebung durch die Sonderstaatsanwaltschaft zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität zu Freiheitsstrafen von 11 Jahren bzw. 10 Jahren verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. In Bayern wurden in den vergangenen Monaten zudem drei weitere albanische Staatsangehörige, die in dem Callcenter in Tirana als sog. Retention Agents betrügerisch an vorderster Front agiert hatten, nach Abgabe weitgehender Geständnisse zu Freiheitsstrafen von bis zu 4 Jahren verurteilt. Sie waren zuvor in Italien und Deutschland festgenommen worden. Das Urteil gegen einen weiteren angeklagten Callcenter-Agenten steht aus.
Gegen weitere Mitglieder der Tätergruppierung dauern die Ermittlungen der ZCB an. Aufgrund der internationalen Verflechtungen erfolgen diese in Abstimmung mit Ermittlungsbehörden aus Griechenland, Bulgarien und Albanien im Rahmen einer Gemeinsamen Ermittlungsgruppe und unter Einbindung der EU-Agentur Eurojust mit Sitz in Den Haag.
Für jeden Fall des gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs sieht das Gesetz eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren vor.