Pressemitteilung 539 vom 05.12.14
Die stürzende Mutter
Zur Frage der Streupflicht bei Glatteis
Kurzfassung:
Die Klage einer Fußgängerin wegen des behaupteten Sturzes aufgrund von Glatteis gegen den zur Räumung verpflichteten Anwohner wurde abgewiesen. Der Beklagte hatte einen ausreichend breiten Streifen geräumt und damit seine Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt.
Sachverhalt:
Die Klägerin lief im Februar 2013 mit ihrer Tochter im Bereich eines Privatwegs, welcher insgesamt 13 Reihenhäuser erschloss. Der später verklagte Anlieger hatte einen Streifen auf diesem Privatweg geräumt, ein Teil des Weges blieb ungeräumt.
Die Klägerin behauptet, dass sie der Tochter, die wegen Glatteises zu stürzen drohte, zu Hilfe eilte. Dabei sei sie auf eine nicht erkennbare vereiste Fläche getreten und sei gestürzt. Sie hätte einen Bruch im Armbereich erlitten und sei über zwei Monate erwerbsunfähig gewesen. Sie habe immer noch erhebliche Schmerzen. Der Ehemann der Klägerin hatte die Unfallstelle einen Tag später fotografisch festgehalten.
Die Klägerin wollte vom Anlieger 4.000 Schmerzensgeld, darüber hinaus eine monatliche Schmerzensgeldrente von mindestens 50 und Kosten für eine Haushaltshilfe von 280 im Monat. Daneben wollte die Klägerin noch weiteren Schadenersatz in Höhe von etwa 4.500 .
Der beklagte Anlieger verteidigte sich damit, dass er von einem Sturz der Klägerin nichts wisse. Er sei erst Monate später durch die Rechtsanwältin der Klägerin angeschrieben worden und könne daher die Witterungsverhältnisse nicht mehr nachvollziehen. Aus den von der Klägerin vorgelegten Lichtbildern sei jedoch erkennbar, dass ein ausreichend breiter Streifen geräumt gewesen sei. Zudem handele es sich um einen Privatweg, für den die gemeindlichen Räum- und Streupflichten nicht gelten würden.
Gerichtsentscheidung:
Das Landgericht Coburg wies die Klage ab. Zwar glaubte das Gericht, dass die Klägerin am Unfalltag an der angegebenen Stelle gestürzt war. Auch führte das Gericht aus, dass im vorliegenden Fall auch für einen Privatweg Räum- und Streupflichten gelten würden. Es war nämlich nicht offensichtlich, dass es sich um einen Privatweg handelt. Zudem wurde der Weg allgemein zur Abkürzung von Fußgängern benutzt.
Das Gericht war jedoch davon überzeugt, dass der Weg ausreichend geräumt war. Es führte aus, dass auf einem Fußweg der geräumte Streifen so breit sein muss, dass zwei Fußgänger vorsichtig aneinander vorbei kommen. Diese Breite war auf den Lichtbildern geräumt. Ergänzend führte das Gericht auch aus, dass es in einem solchen geräumten Bereich auch vereinzelt glatte Stellen vorkommen können. Die Räum- und Streupflicht dürfte nicht so weit ausgedehnt werden, dass jede Gefahr hinsichtlich einer Schnee- und Eisglätte verhindert werden muss. Dies könne den Räum- und Streupflichtigen nicht zugemutet werden. Der Vorstellung der Klägerin, der geräumte Streifen müsse so breit sein, dass ein Pkw und ein Fußgänger aneinander vorbei kommen könnten, erteilt das Gericht eine Absage.
Zudem wies das Landgericht darauf hin, dass die Klägerin aufgrund ihres Verhaltens ein überwiegendes Mitverschulden treffen würde. Dieses sei hoch anzusetzen, so dass eine mögliche Haftung des Räum- und Streupflichtigen vollkommen zurücktrete. Die Klägerin konnte den gut geräumten Weg leicht erkennen und hat diesen Streifen dennoch nicht benutzt. Warum die Klägerin den geräumten Streifen verlassen hat, ist für eine Haftung des Beklagten unerheblich. Die Sturzursache könne im vorliegenden Fall keineswegs dem Beklagten zugerechnet werden.
Fazit:
Die Nichtbeachtung der Räum- und Streupflicht kann für Anlieger zu einem hohen finanziellen Risiko führen, welches man am besten mit einer Versicherung abdeckt. Jedoch führt nicht jeder Sturz zu Schadenersatzansprüchen. Die Räum- und Streupflicht besteht nämlich nicht unbegrenzt. Daneben spielt auch das Verhalten des Gestürzten eine wichtige Rolle.
(Landgericht Coburg, Urteil vom 13.05.2014, Aktenzeichen 41 O 675/13; rechtskräftig)