Pressemitteilung 4 vom 02.08.2021
Gemeindliche Klausel im sog. „Einheimischen-Modell“ wirksam
Das Landgericht München II, 10. Zivilkammer, hat Ende letzter Woche ein Urteil zu einem sog. "Einheimischen-Modell" erlassen.
Die Kläger, ein Ehepaar mit gemeinsamer Tochter, hatten sich im Jahr 2014 als einheimisches Ehepaar um ein Baugrundstück bei der Gemeinde Erdweg beworben. Der Preis für das Grundstück lag unter dem Marktwert. Dafür mussten sich die Kläger unter anderem verpflichten, während der nächsten 15 Jahre, gerechnet ab dem Tag des Kaufvertrages das Vertragsgrundstück nicht zu veräußern
Im Falle eines Verstoßes gegen diese Verpflichtung sollte die Gemeinde berechtigt sein, das Grundstück zum damaligen Verkaufspreis zurückzukaufen (zzgl. einer Entschädigung für das inzwischen erbaute Haus und die eingetretene Wertsteigerung). Der Vertrag enthielt noch weitere Klauseln, beispielsweise eine Ablösemöglichkeit, die sich am Bodenwert des Grundstückes orientierte.
Die Ehe der Kläger ist inzwischen gescheitert. Beide baten nach dem Auszug eines der Ehegatten zunächst die Gemeinde darum, von ihrem Wiederkaufsrecht keinen Gebrauch zu machen, sondern eine Weiterveräußerung auf dem freien Immobilienmarkt zu gestatten. Denn der Wiederverkauf würde wirtschaftlich negative Folgen für sie haben. Die Gemeinde lehnte dies ab.
Das Paar hatte daraufhin die Gemeinde verklagt. Die Noch- Eheleute wollten vom Landgericht festgestellt haben, dass sie zum Weiterverkauf gegen Zahlung einer Ablösesumme berechtigt sind. Juristische Argumente waren im Wesentlichen, dass das Regelungswerk zum Einheimischen-Modell unklar sei. Außerdem hätten sie ein Recht zur Ablöse.
Die Gemeinde sah das anders: wenn es ein Recht zur Ablöse geben würde, würde das gesamte Einheimischen-Modell ins Leere laufen. Vielmehr habe die Gemeinde die Wahlmöglichkeit, ob sie zurückkaufen wolle, oder sich auf die Ablösezahlung einlasse.
Der Vorsitzende Richter, Andreas Zeug, gab nun der Gemeinde recht: aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Gemeinde Erdweg im Lkr Dachau und den damaligen Käufern kann die Gemeinde das Grundstück zurückkaufen, wenn die Kläger vor Ablauf von 15 Jahren das Grundstück an Dritte verkaufen würden. Dabei muss die Gemeinde lediglich den ursprünglichen Kaufpreis zurückzahlen, zzgl. einer Entschädigung für das Gebäude und für die Wertsteigerung seit 2014. Diese Zahlung dürfte allerdings deutlich niedriger ausfallen, als ein Verkauf auf dem freien Markt einbringen kann.
Aus den Gründen:
Die Klage war abzuweisen, weil sie zwar zulässig, aber unbegründet ist.Der Feststellungsantrag war unbegründet, weil der beklagten Gemeinde grundsätzlich das Wahlrecht zusteht, im Falle der Veräußerung des Grundstücks vor Ablauf der Bindungsfrist entweder von ihrem Wiederkaufsrecht Gebrauch zu machen oder von den Klägern die Ablösung der Einheimischenbindung zu verlangen.... Dass der Beklagten diese Optionen grundsätzlich offenstehen, ergibt sich aus dem streitgegenständlichen Kaufvertrag. Denn dort ist zunächst unter Nr. 6. der Anlage II, als erste Regelung im Anschluss an die unter Nr. 1 bis Nr. 5 der Anlage II vereinbarten Bindungstatbestände, klar und unmissverständlich das Wiederkaufsrecht der Beklagten als Folge eines Verstoßes der Kläger gegen einen der Bindungstatbestände geregelt.....
Die Regelung zum Einheimischenmodell sind Allgemeine Geschäftsbedingungen. Diese sind nach ständiger Rechtsprechung ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden einheitlich so auszulegen, wie ihr Wortlaut von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden wird... Ein verständiger und redlicher Vertragspartner wird bei einem solchen Vertrag, bei dem ihm von der Heimatgemeinde verbilligt Bauland übereignet wird, nicht davon ausgehen, dass er sich einseitig - ohne Zustimmung der Gemeinde - durch Ablösung von seinen Bindungspflichten freikaufen kann. Angemerkt sei, dass ganz offensichtlich auch die Kläger davon nicht ausgegangen sind, baten sie doch mit ihrem o.g. Schreiben vom 30.07.2019 (vgl. Anlage K2) die Beklagte darum, von ihrem Wiederkaufsrecht (dito!) nicht Gebrauch zu machen....
Az 10 O 231/21, Urteil vom 30.7.2021, nicht rechtskräftig