Pressemitteilung 29 vom 11.05.2023
Landgericht München I Urteil im Strafverfahren gegen Luu L., Ali T., Enes Y., Fadi S. und Halil G. wegen des Verdachts des versuchten Mordes („Bauchschuss“)
Die 1. Große Jugendkammer des Landgerichts München I hat am 09.05.2023 nach 17tägiger Hauptverhandlung den zum Tatzeitpunkt 16jährigen Angeklagten L. wegen versuchten Totschlags, gefährlicher Körperverletzung und besonders schweren Raubes sowie Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu einer Jugendstrafe von 6 Jahren 3 Monaten verurteilt. Drei weitere zum Tatzeitpunkt 18 Jahre alten Angeklagte wurden wegen gefährlicher Körperverletzung und besonders schweren Raubes zu mehrjährigen Jugendstrafen zwischen 5 Jahren 3 Monaten und 2 Jahren 9 Monaten verurteilt. Ein erwachsener Angeklagter wurde zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt. Bei vier der Angeklagten wurde zudem die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet.
Das Gericht stellte folgenden Sachverhalt fest:
Am 13.01.2022 hätten die Angeklagten den späteren Geschädigten in einer Wohnung in Milbertshofen maskiert und bewaffnet mit einer scharfen Schusswaffe sowie Metallstangen überfallen. Einer der Angeklagten, der sich bereits zuvor in der Wohnung aufgehalten hatte, habe den anderen die Wohnungstüre geöffnet. Anschließend hätten die Angeklagten gemeinsam mit den Metallstangen auf den Geschädigten eingeprügelt. Der Angeklagte L. habe sodann mit Tötungsvorsatz einen Schuss in den Bauch des Geschädigten abgegeben. Dies sei allerdings nicht mit den anderen Angeklagten abgesprochen gewesen. Die Angeklagten hätten schon vor der Schussabgabe 80 Gramm Kokain des Geschädigten an sich genommen und hätten den Tatort anschließend verlassen. Das Motiv für diesen brutalen Überfall sei eine vorangegangene Körperverletzung durch den jetzigen Geschädigten zu Lasten eines Bekannten der Angeklagten, aber auch schlicht der Wunsch, an 80 Gramm Kokain zu kommen, gewesen. Der Schuss sei spontan nach einer provozierenden Äußerung des Geschädigten abgegeben worden.
Der Geschädigte habe schwerste innere Verletzungen erlitten und musste aufgrund einer mehrfachen Dünndarmperforation noch am 13.01.2022 notoperiert werden.
Zu Lasten der Angeklagten wertete das Gericht insbesondere die massive kriminelle Energie, die aus der Tatbegehung hervorgegangen sei. Der Vorsitzende Richter Stephan Kirchinger führte aus, dass bei allen Angeklagten – von einem Sachverständigen bestätigt – eine erhebliche Dissozialität vorliege. Dies begründe einen großen Erziehungsbedarf und rechtfertige daher auch die teils langen Jugendstrafen. Bei dem Angeklagten L. hat zudem das dramatische Verletzungsbild infolge des Bauchschusses zu der hohen Strafe geführt. Positiv hob die Kammer hervor, dass der Angeklagte Fadi S. seine Tatbeteiligung als erster eingeräumt und damit Verantwortung übernommen habe. Der Angeklagte T. stellte seine Dissozialität noch während der Urteilsbegründung unter Beweis und musste vom Vorsitzenden wegen der Störung und der Belästigung eines Mitangeklagten auf einen anderen Platz verwiesen werden. Staatsanwältin Christina Bichler hatte den Angeklagten zuvor vorgeworfen, sich in Milbertshofen wie in einer Parallelwelt aus einem Gangsterfilm zu verhalten, in der falsche Loyalitäten untereinander bedeutsamer seien als die geltenden Gesetze.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft München I steht das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen, das binnen einer Woche ab Urteilsverkündung eingelegt werden müsste.
Dr. Laurent Lafleur
Leiter der Pressestelle für Strafsachen
Richter am Oberlandesgericht