Pressemitteilung 56 vom 04.10.2023
Landgericht München I: Strafverfahren gegen den Angeklagten R. wegen des Verdachts des Totschlags u.a. („Korbinianplatz“)
Die 3. Jugendkammer des Landgerichts München I unter Vorsitz von Matthias Braumandl hat heute nach 24-tägiger Hauptverhandlung den zum Tatzeitpunkt 16-jährigen Angeklagten R. wegen Totschlags und Beteiligung an einer Schlägerei zu einer Jugendstrafe von 7 Jahren verurteilt.
Das Gericht stellte folgenden Sachverhalt fest:
Am 14.03.2022 gegen 17:15 Uhr kam es zu einem vorab von dem später Getöteten P. mit dem Zeugen S. vereinbarten Treffen der Personengruppe um den Angeklagten R. und der Gruppe um den Geschädigten P. in der Grünanlage am Korbinianplatz in München. Grund des Treffens war ein Streit zwischen den konkurrierenden Gruppen, weil eine Person um den später Getöteten P. – der anderweitig Verfolgte Y. – Personen aus der Gruppe des Angeklagten in der Vergangenheit bei der Polizei als Mittäter einer Straftat benannt haben soll, die sich am 23.10.2021 an einer U-Bahn-Station in München zugetragen hatte.
Nach dem Versuch einer verbalen Klärung und ersten körperlichen Auseinandersetzungen zwischen einigen der Beteiligten zog der später Getötete P. ein Klappmesser. Dadurch wurde der S. aus der Gruppe um den Angeklagten durch einen Schnitt in den Unterbauch schwer verletzt. Beteiligte aus der Gruppe des Angeklagten gingen sodann auf P. los, dem das Messer aus der Hand geschlagen wurde. Dieses Messer nahm der Angeklagte an sich und stach dem nun unbewaffneten P. aus Rache für den vorangegangenen Angriff auf S. in den rechten Oberschenkel, in die linke Oberkörperseite ins Herz (ca. 10 cm tief) und in den linken Ellenbogen, um diesen zu verletzen. Jedenfalls bei den Stichen in Richtung des Oberkörpers war P. bereits zu Boden gegangen. Der Angeklagte stand dabei mit gespreizten Beinen auf Hüfthöhe des P., als er auf diesen einstach. Der Angeklagte erkannte hierbei die Gefährlichkeit seiner Handlungen und nahm das Versterben des P. zumindest billigend in Kauf.
Die Kammer hatte umfangreich Beweis erhoben und eine Vielzahl von Zeugen gehört. Die Tat war durch eine unbeteiligte Zeugin mit dem Mobiltelefon gefilmt worden. Für die Auswertung war ein digitaltechnischer Sachverständiger hinzugezogen worden. Der Angeklagte selbst hatte die tödlichen Stiche in den Oberkörper bestritten und den S. insoweit belastet.
Die Jugendkammer sah beim Angeklagten massive Erziehungsdefizite und schädliche Neigungen. Der Angeklagte sei bei der Tat von falschen Ehrvorstellungen geleitet gewesen. Deswegen und wegen der Schwere der Schuld hielt die Jugendkammer die Verhängung einer Jugendstrafe für unerlässlich.
Bei der Strafzumessung würdigte die Jugendkammer zugunsten des Angeklagten im Wesentlichen, dass er nicht vorgeahndet ist und das Tatmesser nicht vom Angeklagten zum Tatort mitgebracht worden war.
Zu seinen Lasten wertete die Kammer insbesondere die tateinheitliche Verwirklichung zweier Straftatbestände.
Die Fortdauer der Untersuchungshaft wurde angeordnet.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Dem Angeklagten und der Staatsanwaltschaft steht das Rechtsmittel der Revision zu, das binnen einer Woche ab heute eingelegt werden müsste.
Bettina Kaestner
Richterin am Oberlandesgericht
Stv. Pressesprecherin