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Staatsanwaltschaft München I

Justiz ist für die Menschen da – Recht Sicherheit Vertrauen

Pressemitteilung 6 vom 22.07.15

Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft München I vom 22.07.2015 - Anklageerhebung gegen eine frühere Hebamme des Klinikums Großhadern


Die Staatsanwaltschaft München I hat die Ermittlungen gegen eine frühere Hebamme des Klinikums Großhadern abgeschlossen und am 10.07.2015 Anklage wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung in neun Fällen zum Landgericht München I erhoben. Die Angeschuldigte soll in der Zeit von April bis Juni 2014 vier Patientinnen des Klinikums Großhadern vor Kaiserschnittoperationen ein blutgerinnungshemmendes Medikament verabreicht haben, was bei den Patientinnen zu einem lebensbedrohlichen Blutverlust führte. Davor soll sie zwischen September 2011 bis April 2012 fünf Patientinnen des Krankenhauses Bad Soden medizinisch nicht indizierte Medikamente verabreicht haben, was bei diesen ebenfalls zu einem lebensbedrohlichen Zustand führte.



Die nunmehr erhobene Anklage geht von folgendem Tatverdacht aus:


Als Hebamme war die heute 34-jährige deutsche Staatsangehörige im Krankenhaus Bad Soden mit der Zubereitung von Infusionslösungen betraut, die bei Kaiserschnittoperationen verwendet wurden. In der Zeit von September 2011 bis Januar 2012 mischte sie den Infusionslösungen in vier Fällen ein blutgerinnungshemmendes Medikament bei, obwohl dies, wie die Angeschuldigte wusste, bei Kaiserschnittoperationen unter keinen Umständen indiziert war. Infolge dessen kam es bei den Patientinnen während oder kurz nach den Kaiserschnittoperationen zu schweren Gerinnungsstörungen und einem lebensbedrohlichen Blutverlust. Um das Leben der Patientinnen zu retten, mussten jeweils notfallmedizinische Maßnahmen ergriffen werden.


Im April 2012 verabreichte die Angeschuldigte einer weiteren Patientin des Klinikums Bad Soden im Rahmen einer geburtsvorbereitenden Untersuchung ein Medikament, das bei Schwangeren, wie die Angeschuldigte wusste, ebenfalls unter keinen Umständen angewendet werden darf. Dies löste bei der Patientin starke Gebärmutterkontraktionen aus. Nur durch sofort eingeleitete medizinische Maßnahmen konnte das Leben der Patientin gerettet werden.


In der Folgezeit war die Angeschuldigte als Hebamme am Klinikum Großhadern in München tätigt. Auch hier war sie im Vorfeld von Kaiserschnittoperationen mit der Zubereitung von Infusionslösungen betraut. In der Zeit von April bis Juni 2014 mischte sie den Infusionslösungen in vier Fällen ein blutgerinnungshemmendes Medikament bei, was bei den Patientinnen während oder kurz nach den Kaiserschnittoperationen zu schweren Gerinnungsstörungen und einem lebensbedrohlichen Blutverlust führte. Um das Leben der Patientinnen zu retten, mussten auch hier jeweils notfallmedizinische Maßnahmen ergriffen werden.


Die Wirkungsweise und die Gefährlichkeit der verabreichten Medikamente waren der Angeschuldigten aufgrund ihres medizinischen Wissens bekannt. Dass die Verabreichung der Medikamente zum Tod der Patientinnen hätte führen können, nahm sie zumindest billigend in Kauf.


Die neugeborenen Kinder erlitten durch die Taten keine gesundheitlichen Schäden.


Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Angeschuldigte aus Unzufriedenheit mit ihrer beruflichen Situation handelte, wobei ihr die Person der einzelnen Geschädigten jeweils gleichgültig war.


Anlass der Ermittlungen war eine Strafanzeige, die das Klinikum Großhadern im Juli 2014 erstattete, nachdem es dort bei Kaiserschnittgeburten zu starken Blutungen mit einer auffälligen Veränderung des Blutgerinnungssystems gekommen war.


Im Ermittlungsverfahren hat die Angeschuldigte die Tatvorwürfe zurückgewiesen.


Das Gesetz sieht für Mord eine lebenslange Freiheitsstrafe vor. Liegt ein Versuch vor, kann das Gericht die Strafe mildern.


Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass zum Schutz der geschädigten Patientinnen keine weitergehenden Angaben zum Tathergang und den gesundheitlichen Auswirkungen der Taten gemacht werden.


In der 247-seitigen Anklageschrift sind 94 Zeugen und 6 Sachverständige als Beweismittel benannt. Über die Eröffnung des Hauptverfahrens und damit über eine mögliche Terminierung der Hauptverhandlung hat nun das Landgericht München I zu entscheiden.


Hinweis:
Nach den Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren (Nr. 23 Abs. 2 RiStBV) darf eine Anklageerhebung der Presse erst dann bekannt gegeben werden, wenn die Anklageschrift dem Angeschuldigten bzw. dessen Verteidigung nachweislich zugegangen ist. Diese Nachweise liegen nun vor.



gez. Peter Preuß
Staatsanwalt als Gruppenleiter
Stellvertretender Pressesprecher