Pressemitteilung 02 vom 01.04.20
Falsche Polizeibeamte: Anklageerhebung gegen "Abholer"
Die Staatsanwaltschaft München I hat am 12.03.20 Anklage gegen einen 31-jährigen Angeschuldigten wegen versuchtem gewerbs- und bandenmäßigem Betrug in Tateinheit mit Amtsanmaßung erhoben.
Die Staatsanwaltschaft geht in ihrer 16-seitigen Anklage aufgrund ihrer bisherigen Ermittlungen von folgendem, vor Gericht noch zu beweisenden Tatverdacht aus:
Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt vor dem 03.09.19 schloss sich der Angeschuldigte mit weiteren, bislang zumeist unbekannten Tätern zusammen, um fortan organisiert und arbeitsteilig Betrugstaten nach dem Modus Operandi „Falscher Polizeibeamter“ zu begehen. Innerhalb der Bandenstrukturen und Tatabläufe nahm der Angeschuldigte die Funktion des sog. „Abholers“ war. Seine Aufgabe bestand darin, die Tatbeute unmittelbar von Geschädigten entgegenzunehmen und diese schließlich an die Hintermänner der Tat weiterzureichen. Hierbei handelte der Angeschuldigte auf Anweisung eines bislang unbekannten „Logistikers“, welcher gleichzeitig mit einem „Keiler“ im fortwährenden Kontakt stand. Während der „Keiler“ versuchte, Geschädigte mittels einer Legende zur Geldübergabe zu bewegen, hielt sich der Angeschuldigte bereits unmittelbar vor Ort bereit, um die Tatbeute entgegenzunehmen.
Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft war der Angeschuldigte mittels der beschriebenen Rollenverteilung jedenfalls an der nachfolgenden Tat beteiligt: Am 03.09.19 wurde eine 70-jährige Münchnerin erneut von einem sog. „Keiler“, welcher sich wahrheitswidrig als „Polizeibeamter Michael Kur“ ausgab, telefonisch kontaktiert. Zwischen der Geschädigten und dem „Keiler“ bestand bereits seit Längerem Kontakt. Die Geschädigte wurde erstmals Anfang März 2019 durch sog. falsche Polizeibeamte kontaktiert. Ihr wurde zunächst ein laufendes Ermittlungsverfahren suggeriert, wobei behauptet wurde, dass ihre Personalien auf der Liste einer Verbrecherbande mit potenziellen Einbruchsopfern stehen würden. Des Weiteren behaupteten die bislang unbekannten Täter, dass die vermeintlichen Einbrecher mit Mitarbeitern der Bank der Geschädigten zusammenwirken würden. In der Folge übergab die Geschädigte bereits im März und April 2019 Gold und Uhren im Wert von ca. 305.000,00 Euro an die Täter. Sodann wurde der Kontakt zu dem „Keiler“, dem angeblichen „Polizeibeamter Michael Kur“ immer intensiver. Auf Verlangen und Anweisung des „Keilers“, der die Geschädigte von ihrem Umfeld isolieren wollte, meldete diese ihren Festnetzanschluss ab und erwarb ein Mobilfunkgerät mit dem sie ausschließlich Kontakt zu dem „Keiler“ unterhielt, seit Juni 2019 hatte er nahezu täglich Kontakt zu der Geschädigten. Er spiegelte der Geschädigten im weiteren Verlauf sogar vor, dass ein Polizeibeamter des Polizeipräsidiums München von der rumänischen Mafia gefangen gehalten und bedroht werde. Man benötige die finanzielle Unterstützung der Geschädigten, um den als Geisel genommenen Polizeibeamten freikaufen zu können. Ziel des „Keilers“ war es dabei, die Geschädigte mittels der erfundenen Gefahrenlage in massive Angst zu versetzen und sie so zu einem sofortigen Handeln zu bewegen. Überdies wurde der Geschädigten eine Schweigepflicht auferlegt, da sie nunmehr angeblich Teil einer verdeckt geführten polizeilichen Operation sei und andernfalls das Leben des vermeintlich gefangengehaltenen Polizeibeamten gefährden würde. In dem irrigen Glauben, dass sie aufgrund einer verdeckten polizeilichen Operation hierzu verpflichtet sei und ihre Wertsachen auch wieder erhalten werde, verkaufte die Geschädigte ihr Wohnanwesen über eine Maklerfirma aus München zum Preis von rund 2.9 Millionen Euro und bewohnte in der Folge seit Mitte August 2019 ein Hotelzimmer in München. Nach Erhalt des Verkaufspreises erwarb die Geschädigte auf Anweisung des „Keilers“ Diamanten im Wert von rund 2.5 Mio. Euro und eine Herrenarmbanduhr einer Schweizer Uhrenmarke im Wert von ca. 175.000,00 Euro.
In Kenntnis dessen, dass zeitgleich ein erfolgversprechendes Keilergespräch geführt wird, fuhr der Angeschuldigte, welcher sich für entsprechende Abholeraufträge dauerhaft bereithielt, am Abend des 03.09.19 auf Geheiß des „Keilers“ nach München, um dort die Tatbeute entgegenzunehmen. Während der Fahrt informierte der Angeschuldigte einen „Logistiker“ regelmäßig über seinen aktuellen Standort und die noch verbleibende Fahrtzeit. Diese Informationen reichte der „Logistiker“ anschließend an den „Keiler“ weiter, um das Gespräch mit der Geschädigten hierauf anpassen zu können. Da er aufgrund des Informationsaustauschs wusste, dass sich der Angeschuldigte nunmehr in unmittelbarer Tatortnähe befand, forderte der „Keiler“ die Geschädigte am 03.09.19 gegen 21:45 Uhr dazu auf, die Diamanten sowie die Schweizer Uhr in einem Koffer zu verstauen und diesen anschließend vor ihrer Haustüre abzulegen. Der Koffer werde sodann von einem verdeckten Ermittler der Polizei abgeholt und die Wertgegenstände anschließend dazu genutzt, um den als Geisel gefangen genommenen Polizeibeamten freizukaufen. So getäuscht legte die Geschädigte gegen 22:00 Uhr den Koffer wie von ihr gefordert vor ihrer Haustüre ab. Im Einklang mit den geführten Keilergesprächen nahm der Angeschuldigte als „Abholer“ am 03.09.19 gegen 22:04 Uhr den Koffer mit den genannten Wertgegenständen an sich. Unmittelbar im Anschluss hieran wurde der Angeschuldigte durch Einsatzkräfte in Zivil festgenommen. Diamanten und Herrenarmbanduhr wurden von der Polizei als Beweismittel gesichert und werden von der Staatsanwaltschaft zur Sicherung der späteren Herausgabe an die Geschädigte verwahrt.
Der Angeschuldigte hat den Tatvorwurf zunächst bestritten und macht nunmehr von seinem Schweigerecht Gebrauch.
Über die Eröffnung des Hauptverfahrens und damit über eine mögliche Terminierung einer Hauptverhandlung hat das Landgericht München I – 12. Kammer zu entscheiden.
Allgemeiner Hinweis zum Zeitraum zwischen dem Datum der Anklageerhebung und der Veröffentlichung der Pressemitteilung: Nach den Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren (Nr. 23 Abs. 2 RiStBV) darf eine Anklageerhebung der Presse erst dann bekannt gegeben werden, wenn die Anklageschrift einem Angeschuldigten bzw. dessen Verteidigung nachweislich zugegangen ist.
gez.
Leiding
Oberstaatsanwältin
Pressesprecherin