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Staatsanwaltschaft München I

Justiz ist für die Menschen da – Recht Sicherheit Vertrauen

Pressemitteilung 02 vom 01.03.23

Anklageerhebungen wegen Subventionsbetrug mit Corona-Überbrückungshilfen in Höhe von 8 Millionen Euro

Die Staatsanwaltschaft München I hat in zwei voneinander unabhängigen Verfahrenskomplexen mit Anklageschriften vom 27.02.2023 und 28.02.2023 jeweils Anklage wegen des Verdachts auf Subventionsbetrug im Zusammenhang mit der Gewährung von Corona-Überbrückungshilfen zum Landgericht München I – Wirtschaftsstrafkammer gegen insgesamt sechs Angeschuldigte erhoben. Ihnen wird vorgeworfen, an der Beantragung von Corona-Überbrückungshilfen in Höhe von über 8 Millionen Euro mitgewirkt zu haben. Hierbei wurden unwahre Angaben gemacht, um die unberechtigte Auszahlung von Corona-Hilfen zu erreichen.

Eine auf Wirtschaftsstrafrecht spezialisierte Abteilung der Staatsanwaltschaft München I hat in dem Themenkomplex „Corona-Subventionsstraftaten“ umfangreiche und aufwändige Ermittlungen durchgeführt. Hinsichtlich der zur Anklage gebrachten Taten sind im Laufe der Ermittlungen 60 Bände Ermittlungsakten und 54 Sonderbände entstanden. Zudem liegen zahlreiche Kontounterlagen vor, die aufgrund ihres Umfangs nur in digitaler Form zur Akte genommen wurden. Beide Anklageschriften umfassen zusammen rund 200 Seiten.

Die Staatsanwaltschaft geht in ihren Anklagen von folgenden, vor Gericht noch zu beweisenden Sachverhalten aus:

Die eine Anklage richtet sich gegen vier Angeschuldigte im Alter zwischen 24 und 51 Jahren, von denen sich drei seit Sommer 2022 in Untersuchungshaft befinden. Ihnen wird zur Last gelegt, an der betrügerischen Beantragung von Corona-Überbrückungshilfen in Höhe von über 6 Millionen Euro mitgewirkt zu haben.
Die Angeschuldigten, die jeweils eines oder mehrere Unternehmen in der Gastro- und Eventbranche führten, schlossen sich zu einer Bande zusammen und einigten sich auf ein betrügerisches Geschäftsmodell zur unberechtigten Vereinnahmung von Corona-Überbrückungshilfen. Zu diesem Zweck gründeten sie gemeinsam ein weiteres Unternehmen, das angeblich Hygieneprodukte, hygienefördernde Umbauten und Schulungsmaßnahmen verkaufen sollte. Mit Hilfe dieses Unternehmens stellten sie in großem Umfang Scheinrechnungen für Hygienemaßnahmen an eine Vielzahl von Unternehmen, darunter auch an ihre eigenen. Die Scheinrechnungen wurden dann von den jeweiligen Unternehmen bzw. ihren Geschäftsführern genutzt, um hohe Aufwendungen für Hygiene-, Umbau- und Schulungsmaßnahmen im Rahmen der Beantragung von staatlichen Corona-Hilfen vorzutäuschen und so hohe Auszahlungen der Staatskasse an die jeweiligen Unternehmen zu erlangen.
Ein weiterer Teil der Bandenabrede war, dass zwischen den von den Angeschuldigten geführten Unternehmen Scheinmietverträge geschlossen wurden. Auch diese Mietverträge dienten allein dem Zweck, im Rahmen der Beantragung von Corona-Hilfen höhere Ausgaben vorzutäuschen, um höhere Auszahlungen zu erhalten. Der Scheincharakter der diversen Geschäfte wurde durch ein aufwändiges Rechnungs- und Zahlungskarussell unter Einbindung weiterer Unternehmen verschleiert.

Die zweite Anklage richtet sich gegen einen 37-jährigen Angeschuldigten und seine 38-jährige Ehefrau. Der Angeschuldigte befindet sich – mit Unterbrechung – seit Juli 2022 in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft geht in ihrer Anklage davon aus, dass der Angeschuldigte durch sein betrügerisches Vorgehen Corona-Überbrückungshilfen in Höhe von über 2 Millionen Euro beantragte. Seine Ehefrau wird wegen Beihilfehandlungen verfolgt.
Der Angeschuldigte war bis Januar 2022 als Steuerfachwirt und Büroleiter bei einer Münchner Steuerberatungskanzlei angestellt. In seiner Funktion bearbeitete er eigenverantwortlich Anträge auf Corona-Überbrückungshilfen an die Industrie- und Handelskammer (IHK) für München und Oberbayern für eine Vielzahl von Mandanten. Anschließend leitete er nach Unterschrift des Mandanten den Antrag an die formell als „prüfende Dritte“ auftretende Steuerberaterin der Kanzlei bzw. den Wirtschaftsjuristen weiter, der den Antrag im elektronischen Antragsportal einstellte. Eine inhaltliche Prüfung des Antrags durch Letztere erfolgte jedoch nicht.
Unter dem Deckmantel einer Firma, die formal von seiner Ehefrau als „Strohfrau“ betrieben wurde, verkaufte der Angeschuldigte Hygiene-Luftfilter an zwei Mandanten der Steuerberaterkanzlei zu völlig überhöhten Preisen. Er täuschte hierbei über seine Identität, um zu verschleiern, dass er zugleich als Berater und Verkäufer auftrat. Die von ihm bzw. seiner Ehefrau vereinnahmten Kaufpreise betrugen insgesamt über 1,6 Millionen Euro netto, über das Fünffache des tatsächlichen Marktpreises der Hygiene-Filter. Anschließend stellte er für die Mandanten Anträge auf Überbrückungshilfe, in denen die überhöhten Kaufpreise als „Aufwendungen für Hygieneaufwendungen“ enthalten waren. Im Laufe des Antragsprozederes fälschte der Angeschuldigte Rechnungen, Lieferscheine und sogar E-Mail-Verkehr und legte diese gefälschten Urkunden der IHK vor, um die Anträge als berechtigt erscheinen zu lassen. Daraufhin zahlte die IHK den Mandanten Überbrückungshilfen von insgesamt über 2,2 Millionen Euro aus. Da die Luftreinigungsgeräte im Rahmen der Überbrückungshilfen staatlich gefördert wurden, konnte der Angeschuldigte seine Gewinne auf Kosten der Allgemeinheit vom Staat finanzieren lassen. Wäre der IHK der Preisaufschlag bekannt gewesen, wären die Überbrückungshilfen nie gewährt worden. 

Über die Eröffnung der jeweiligen Hauptverfahren und damit über eine mögliche Terminierung der Hauptverhandlungen werden die zuständigen Wirtschaftsstrafkammern des Landgerichtes München I entscheiden.

Aufgrund der Vielzahl der zu ermittelnden Taten und des großen Umfangs der noch durchzuführenden Ermittlungen wurden Verfahrensteile abgetrennt, da eine einheitliche Anklageerhebung nicht zeitnah möglich gewesen wäre. Die Ermittlungen bezüglich dieser Taten werden von der Staatsanwaltschaft fortgeführt. Sie richten sich gegen zahlreiche weitere Personen und in einem der beiden Verfahrenskomplexe auch gegen bereits angeklagte Angeschuldigte.


Hintergrund: Bei Überbrückungshilfen handelt es sich um eine Beihilfe des Bundes, die dazu dient, mittleren und kleinen Unternehmen, deren wirtschaftliche Tätigkeit coronabedingt eingeschränkt ist, eine Liquiditätshilfe zu gewähren. Die Überbrückungshilfe muss grundsätzlich nicht zurückgezahlt werden. Ausgaben für Hygienemaßnahen waren in großer Höhe förderfähig. Bei der Antragstellung bezüglich der Überbrückungshilfe wurde der jeweilige Antragsteller ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Angaben zu den Fixkosten subventionserbliche Tatsachen im Sinne des § 264 StGB sind und man sich durch falsche Angaben strafbar macht. Zur Antragstellung waren nur Steuerberater, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer (prüfende Dritte) berechtigt.

Allgemeiner Hinweis zum Zeitraum zwischen dem Datum der Anklageerhebungen und der Veröffentlichung der Pressemitteilung: Nach den Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren (Nr. 23 Abs. 2 RiStBV) darf eine Anklageerhebung der Presse erst dann bekannt gegeben werden, wenn die Anklageschrift einem Angeschuldigten bzw. dessen Verteidigung nachweislich zugegangen ist.

gez.Juliane Grotz
Staatsanwältin als Gruppenleiterin
Stellvertretende Pressesprecherin