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Staatsanwaltschaft München I

Justiz ist für die Menschen da – Recht Sicherheit Vertrauen

Pressemitteilung 05 vom 30.05.23

Anklageerhebung wegen Steuerhinterziehung in Höhe von 23,5 Mio. Euro in Sachen „Maskendeal“

Die Staatsanwaltschaft München I hat mit Anklageschrift vom 23.05.2023 Anklage wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung u.a. zum Landgericht München I - 6. Wirtschaftsstrafkammer - gegen die Angeschuldigten T., N. und S. erhoben. Der Angeschuldigten T. wird Steuerhinterziehung in drei Fällen (Einkommenssteuer, Schenkungssteuer und Gewerbesteuer im Jahr 2020), davon in zwei Fällen in Mittäterschaft, sowie ein Subventionsbetrug vorgeworfen, dem Angeschuldigten N. Beihilfe zur Steuerhinterziehung (Einkommenssteuer) und Steuerhinterziehung in Mittäterschaft in zwei Fällen (Schenkungssteuer und Gewerbesteuer). Dem Angeschuldigten S. wird Beihilfe zur Steuerhinterziehung (hinsichtlich der Gewerbesteuer 2020) vorgeworfen. Die Angeschuldigten T. und N. befinden sich seit Ende Januar 2023 in Untersuchungshaft.

Die Staatsanwaltschaft geht in ihrer Anklage von folgendem, vor Gericht noch zu beweisenden Sachverhalt aus: Die Angeschuldigte T. betrieb eine Werbeagentur mit Sitz in München, ihr Lebensgefährte, der Angeschuldigte N., war Gastronom in München. Frühestens am 01.04.2020 gründeten T. und N. eine Vorgründungs-GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) und am 06.04.2020 die entsprechende Little Penguin GmbH mit Sitz in Grünwald, bei der beide als Geschäftsführer eingetragen wurden. Der Angeschuldigte S. ist Geschäftsführer einer GmbH mit Sitz in Grünwald, welche ab dem 01.04.2020 Räumlichkeiten in Grünwald an die Little Penguin GmbH vermietet hat.

Einkommenssteuerhinterziehung: Die Angeschuldigte T. vermittelte als Einzelunternehmerin in den Anfangszeiten der Corona-Pandemie Verträge über persönliche Schutzausrüstung - insbesondere Masken - zwischen der EMIX Trading GmbH und verschiedenen Behörden des Bundes und der Länder und erzielte dadurch zwischen dem 03.03.2020 und dem 31.03.2020 Provisionen in Höhe von 26,5 Mio. Euro. Am 01.04.2020 stellte die Angeschuldigte T. bei dem Finanzamt München einen Antrag auf Herabsetzung ihrer Einkommenssteuervorauszahlungen auf 0,00 € rückwirkend für das 1.  Quartal 2020 und begründete dies mit ausbleibenden Erlösen aus ihrer selbständigen Tätigkeit für die „Agentur Pfennigturm“, obwohl sie wusste, dass sie aufgrund der dargestellten Vermittlungsgeschäfte Provisionen in erheblicher Höhe verdient hatte. Das Finanzamt München entsprach diesem Antrag. Darüber hinaus reichten die Angeschuldigten T. und N. am 16.06.2020 jeweils einen Antrag ein, in dem sie die Existenz einer GbR bereits vor dem 01.04.2020 behaupteten und der zur Folge hatte, dass die von der Angeschuldigten T. erzielten Provisionen nicht bei ihr selbst der Einkommenssteuer unterworfen wurden, sondern bei der Litte Penguin GmbH mit einem niedrigeren Steuersatz versteuert wurden. Tatsächlich hatte vor dem 01.04.2020 eine solche GbR noch nicht bestanden. Dadurch verkürzte die Angeschuldigte T. unter Beihilfe des Angeschuldigte N. Einkommenssteuer in Höhe von rund 8,7 Mio. Euro (wirtschaftlicher Schaden von 4,4 Mio. Euro).

Schenkungssteuerhinterziehung: An der frühestens am 01.04.2020 gegründeten Vorgründungs-GbR waren die Angeschuldigten T. und N. zu gleichen Teilen beteiligt. Der Angeschuldigte N. hatte allerdings nichts in diese eingebracht, die Angeschuldigte T. dagegen ihre Provisionsansprüche in Höhe von rund 26,5 Mio. Euro, wodurch der Gesellschaftsanteil des Angeschuldigten N. einen Wert von rund 13,25 Mio. Euro erhielt.  Dies stellte eine zu versteuernde Schenkung dar. Diese Schenkung zeigten die Angeschuldigten T. und N. dem Finanzamt nicht an und hinterzogen so gemeinschaftlich Schenkungssteuer in Höhe von rund 6,6 Mio. Euro.

Gewerbesteuerhinterziehung: Die Angeschuldigten T. und N. erklärten als Geschäftsführer der Little Penguin GmbH gegenüber dem Finanzamt München, dass sich die Geschäftsleitungsbetriebsstätte der GmbH in Grünwald befände. Dies entsprach nicht den Tatsachen, da die zum Tagesgeschäft gehörenden Entscheidungen der GmbH von München aus getroffen wurden. Ziel der falschen Angaben war die Vermeidung des erhöhten Gewerbesteuermessbetrages von 490 % der Landeshauptstadt München gegenüber den 240 % der Gemeinde Grünwald. Der Angeschuldigte S. vermietete der Little Penguin GmbH Räumlichkeiten in Grünwald, um es den Angeschuldigten zu ermöglichen, dem Finanzamt vorzuspiegeln, dass eine Betriebsstätte der Little Penguin GmbH in Grünwald tatsächlich existierte. Alle drei Angeschuldigten wussten, dass von der Adresse in Grünwald aus keine Tätigkeiten der Little Penguin GmbH erfolgten und auch nicht erfolgen konnten, u.a. weil die angemieteten Räumlichkeiten von 15 qm im gleichen Zeitraum jeweils an über 20 weitere Gesellschaften vermietet waren. Hierdurch wurde Gewerbesteuer in Höhe von rund 8,2 Mio. Euro hinterzogen (wirtschaftlicher Schaden 4,2, Mio. Euro).

Subventionsbetrug durch die Angeschuldigte T.: Die Angeschuldigte T. beantragte am 01.04.2020 bei der Landeshauptstadt München für ihre Werbeagentur eine sog. Corona-Soforthilfe in Höhe von 9.000 Euro und begründete dies mit einem entsprechenden Liquiditätsengpass. Dabei verschwieg sie allerdings ihre bereits erzielten Provisionen in Höhe von 26,5 Mio. Euro. Mit Bescheid vom 08.05.2020 bewilligte die Landeshauptstadt München Soforthilfe in Höhe von 9.000 € und überwies den Betrag. Am 10.05.2021 zahlte die Angeschuldigte T. die bewilligte Corona-Soforthilfe an die Landeshauptstadt München zurück.

Eine auf Steuerstrafrecht spezialisierte Abteilung der Staatsanwaltschaft München I hat zusammen mit der Steuerfahndung München die sehr umfangreichen und aufwändigen Ermittlungen (rund 40 Bände Ermittlungsakten) durchgeführt.
 
Über die Eröffnung des Hauptverfahrens und damit über eine mögliche Terminierung der Hauptverhandlung wird die zuständige 6. Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichtes München I entscheiden.

Allgemeine Hinweise zum Steuergeheimnis und zum Zeitraum zwischen dem Datum der Anklageerhebung und der Veröffentlichung der Pressemitteilung: 
§ 30 Abs. 1 der Abgabenordnung legt fest, dass Amtsträger das Steuergeheimnis zu wahren haben. Nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 ist eine Offenbarung ausnahmsweise zulässig, wenn ein zwingendes öffentliches Interesse besteht.
Nach den Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren (Nr. 23 Abs. 2 RiStBV) darf eine Anklageerhebung der Presse erst dann bekannt gegeben werden, wenn die Anklageschrift einem Angeschuldigten bzw. dessen Verteidigung nachweislich zugegangen ist.

gez. Anne Leiding
Oberstaatsanwältin
Pressesprecherin