Pressemitteilung 69 vom 21.10.15
Staatsminister Prof. Dr. Winfried Bausback
Staatsminister Prof. Dr. Winfried Bausback informiert sich im Amtsgericht München über die Auswirkungen des Zustroms von Flüchtlingen
Der Bayerische Justizminister Prof. Dr. Winfried Bausback besucht heute das Amtsgericht München, um sich vor Ort einen unmittelbaren Eindruck von der Belastungssituation aufgrund des hohen Flüchtlingszustroms zu verschaffen. Bausback führt dabei Gespräche mit dem Amtsgerichtspräsidenten Reinhard Nemetz, Vertretern des Personalrats und des Richterrats sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Familienabteilungen und des Zentralregisters, die aufgrund der vielen Vormundschaftsverfahren bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen besonders betroffen sind.
Bausback bei diesem Anlass: Der enorme Flüchtlingszustrom stellt die gesamte Staatsverwaltung, auch die bayerische Justiz vor große Herausforderungen. Das weiß ich und deshalb ist es mir ein wichtiges Anliegen, mir unmittelbar vor Ort ein Bild von der Situation zu machen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hier am Amtsgericht leisten großartige Arbeit und stellen sich auch jetzt in dieser schwierigen Zeit mit vorbildlichem Engagement in den Dienst unserer Justiz. Das ist nicht selbstverständlich und verdient größte Anerkennung. Ich möchte ihnen herzlich danken!
Bausback weiter: Ich bin mir bewusst, dass der Personalbestand in der Justiz ohnehin "auf Kante genäht" ist. Deshalb setze ich mich mit aller Kraft für Verbesserungen ein. Und das mit Erfolg: Die Staatsregierung hat beschlossen, dass die bayerische Justiz nochmals 260 neue Stellen bekommt darunter 50 Richter und Staatsanwälte, 25 Rechtspfleger und 135 Servicekräfte. Damit können und werden wir, wenn der Haushaltsgesetzgeber das so beschließt, gerade die besonders belasteten Gerichte und Justizbehörden verstärken. Ich bin sehr zuversichtlich, dass auch das Amtsgericht München bei der Verteilung der neuen Stellen berücksichtigt werden wird. Die neuen Stellen werden für eine spürbare Entlastung sorgen.
Im Hinblick auf die Vormundschaftsverfahren bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen setzt sich der Minister auch auf Bundesebene für eine Verbesserung ein: Die derzeitige Regelung des vormundschaftlichen Verfahrens führt dazu, dass einzelne Amtsgerichte übermäßig stark belastet sind - nämlich die Amtsgerichte, die für die häufigsten Aufgriffsorte zuständig sind, also insbesondere auch das Amtsgericht München. Das muss der Bundesgesetzgeber ändern, so Bausback. Ich setze mich gemeinsam mit meinen Kollegen aus den anderen Ländern dafür ein, dass künftig nicht mehr das Familiengericht am Aufgriffsort, sondern das Gericht am Verteilungsort für das Vormundschaftsverfahren zuständig sein soll. So wären nicht mehr nur einige wenige Gerichte mit den Problemen belastet.
Der Präsident des Amtsgerichts München, Reinhard Nemetz, zeigt die bereits jetzt vorhandenen konkreten Auswirkungen des Flüchtlingszustroms für das Gericht auf:
Im Familiengericht ist ein deutlicher Anstieg der Verfahren zu verzeichnen. Seit August 2015 gehen aufgrund des Zustroms von minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen durchschnittlich monatlich 410 zusätzliche Verfahren zur richterlichen Anordnung der Vormundschaft ein. Aus jedem dieser richterlichen Verfahren resultiert ein weiteres Rechtspfleger-Verfahren zur Überwachung der Vormundschaft.
Die Ermittlungsrichter des Amtsgerichts München sind zuständig für Abschiebe- und Zurückschiebehaftanträge von den Ausländerbehörden, also des Kreisverwaltungsreferats München und des Landratsamts München. Angesichts der erheblichen Zunahme der Flüchtlingszahlen dürften diese Verfahren in Kürze deutlich zunehmen.
Mit einem Anstieg ist schon allein aufgrund des Bevölkerungszuwachses auch im Bereich der sonstigen Verfahren zu rechnen, etwa im Bereich des Miet- und Wohnungseigentumsrechts.
Der zeitliche Aufwand für die Bearbeitung von Zivil- und Strafverfahren, die Flüchtlinge betreffen, ist hoch, da immer Dolmetscher zum Einsatz kommen müssen und sich der Aufenthaltsort der Flüchtlinge rasch und häufig ändert.
Die jüngste Entwicklung mit dem rapiden Anstieg der Flüchtlingszahlen wird sich bei Gericht in der Regel erst zeitverzögert auswirken. Im strafrechtlichen Bereich münden die polizeilichen Ermittlungen zuerst in ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren, bevor das Gericht durch eine Anklage oder einen Strafbefehlsantrag zuständig wird. In Zivilverfahren sind oft private Einigungsversuche vorgeschaltet, bevor der Rechtsstreit bei Gericht anhängig gemacht wird.
Präsident Nemetz:
Wir erwarten eine Welle neuer Verfahren in allen Bereichen und hoffen auf personelle Verstärkung. Im Familiengericht haben wir unsere Belastungsgrenze erreicht.
Monika Andreß