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Amtsgericht München

Amtsgericht München - Gebäude Maxburgstraße

Pressemitteilung 12 vom 11.02.2019

Verlängerter Zwischenstopp

Wer auf der Drogenbeschaffungsfahrt von Barcelona zurück nach Estland beim Zwischenstopp in München auch noch ein T-Shirt klaut, muss u. U. mehr Zeit investieren

Am 04.01.2019 verurteilte das zuständige Jugendschöffengericht am Amtsgericht München zwei estnische Zwanzigjährige, der ältere Schüler, der jüngere Aushilfsmonteur, jeweils wegen unerlaubter Einfuhr von und unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, den älteren zusätzlich wegen Diebstahls zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und sieben Monaten, den jüngeren zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und fünf Monaten. Die Vollstreckung der verhängten Strafen wurde nach gut viermonatiger Untersuchungshaft zur Bewährung ausgesetzt.
In den Tagen vor dem 26.08.2018 erwarben die beiden Verurteilten in Barcelona von einem Unbekannten 987 Gramm Marihuana zum Preis von 3.000 Euro. Der ältere Verurteilte steuerte angesichts seiner besseren finanziellen Ausstattung 2.000 Euro, der jüngere Verurteilte 1.000 Euro zum Kaufpreis bei. Das Marihuana sollte zwischen den beiden hälftig aufgeteilt werden. Nach ihren angesichts der Gesamtumstände glaubhaften Angaben waren lediglich kleinere Konsummengen zum gewinnbringenden Weiterverkauf und damit zur Finanzierung des eigenen Konsums bestimmt. Das Marihuana führten sie per Bus am 26.08.2018 in einem Koffer nach Deutschland ein. Um ca. 11 Uhr kamen die beiden in München an und begaben sich in der Folgezeit in ein Kaufhaus am Stachus, wo der ältere Verurteilte gegen 11.45 Uhr ein Hilfiger-T-Shirt zum Preis von 29,99 Euro entwendete. Als die beiden das Geschäft verlassen hatten, wurden sie von den Ladendetektiven angesprochen. Zu diesem Zeitpunkt trug bzw. rollte der ältere Verurteilte den Koffer. Als ein Detektiv diesen nahm, entriss ihm der jüngere Verurteilte den Koffer, um damit zu flüchten. Er konnte um 14.15 Uhr am Zentralen Omnibus Bahnhof mit dem Marihuana festgenommen werden, wo er einen Bus nach Estland besteigen wollte. Er gab bei der Polizei zunächst an, dass er den Kollegen erst kennengelernt hätte, sie dann - völlig betrunken - den Koffer einem völlig unbekannten Mann gestohlen hätten. Nach negativer Atemalkoholkontrolle räumte er die Tat dann doch ein.
Ihre Verteidiger erklärten für die voll geständigen Verurteilten in der Hauptverhandlung, gut vier Tage in Barcelona verbracht und mit Party verbunden zu haben.
Der ältere, in seiner Heimat schon einschlägig vorbestrafte Verurteilte gab an, seit seinem vierzehnten Lebensjahr bis zu fünfzehn Joints täglich und daneben seltener Metamphetamine und Kokain bei zuletzt paranoiden Zuständen konsumiert zu haben und erklärte in seinem letzten Wort: „Ich bin meiner Schuld vollkommen bewusst. Da ich vorher noch nie im Gefängnis war, war es ein richtiger Schock für mich. Ich habe jetzt keinen Wunsch mehr mit irgendwelchen Rauschgiftmitteln in Kontakt zu kommen.“ Der nicht vorbestrafte Jüngere erklärte nach mehrjährigem Konsum sich nach einem „unkomfortablen“ ersten Monat in Haft nun drogenfrei gesundheitlich sehr gut zu fühlen und seine Zeit jetzt lieber seinem Studium und seinen Verwandten widmen zu wollen.
Die Vorsitzende Richterin begründete das Urteil des Jugendschöffengerichts u. a. wie folgt:
„Die Angeklagten haben eine Straftat begangen, die bei Erwachsenen mit einer Mindestfreiheitsstrafe von 2 Jahren bedroht ist. Sie haben eine Reise unternommen, deren Ziel nach der Überzeugung des Gerichts vor allem die Beschaffung des Betäubungsmittels war und weniger der Urlaub. Die Angeklagten hielten sich nur wenige Tage in Barcelona auf und waren dort vor allem mit dem Kauf des Marihuanas beschäftigt. Der Aufenthalt in dem fremden Land hatte dagegen nur eine untergeordnete Bedeutung. Den Angeklagten kam es auch darauf an, eine erhebliche Menge Cannabis zu kaufen, denn sie waren mit für ihre Verhältnisse sehr erheblichen Beträgen ausgestattet.
Zugunsten der Angeklagten war zu berücksichtigen, dass sie vollumfänglich geständig waren und es sich bei dem von ihnen eingeführten Marihuana nur um eine sogenannte weiche Droge handelt. Zu ihren Gunsten war weiter zu berücksichtigen, dass das Rauschmittel letztlich nicht in den Verkehr gelangt ist. Auch waren die Angeklagten (…mehrere Monate…) in U-Haft, obwohl sie als junge Ausländer besonders haftempfindlich sind. (...)
Beide Angeklagte haben in Estland bei ihren Eltern feste Wohnsitze und Zukunftspläne.“


Urteil des Amtsgerichts München vom 04.01.2019, Aktenzeichen 1012 Ls 361 Js 186343/18 jug

Das Urteil wurde nach allseitigem Rechtmittelverzicht sofort rechtskräftig.


Klaus-Peter Jüngst

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