Pressemitteilung 14 vom 18.02.2019
Irrtum
Der Verurteilte, der meinte, der für ihn zuständige Jugendrichter würde irgendwann aufgeben, irrte sich.
Am 24.1.2019 verurteilte der zuständige Jugendrichter am Amtsgericht München einen neunzehnjährigen Münchner Schüler wegen Beleidigung in drei Fällen zur Ableistung von einhundert Stunden gemeinnütziger Arbeit und zur Teilnahme an drei Beratungsgesprächen bei einem Mitarbeiter der Münchner Jugendgerichtshilfe.
Am 17.08.2018 gegen 02:45 Uhr kam es in einer Stadt am Bodensee zu einem Rettungsdiensteinsatz, bei dem auch der Verurteilte versorgt wurde. Als die Beamten die Identität des Verurteilten feststellen wollten, wurde dieser aggressiv. So äußerte der Verurteilte unter anderem gegenüber den Beamten: „Sind Sie behindert? Die meisten sind Bullen geworden, weil sie in der Schule gemobbt wurden. Nur fünf Prozent aller Bullen sind in Ordnung, aber sie gehören leider nicht dazu. Ist Ihre neue Freundin fett oder wieso sind sie so schlecht gelaunt?“. Als der Verurteilte mit dem Vorwurf der Beleidigung konfrontiert wurde, gab er an: „Mein Richter wird da gar nichts machen".
Vor Gericht erklärte der Verurteilte u.a.: „Ein Freund von mir ist hingefallen und er hat sich bei mir festgehalten. Ich war dort in meinen Ferien. Er hatte schon ein bisschen getrunken. Er ist gestolpert und hat sich an mir festgehalten. Wir haben einen Krankenwagen gerufen. Wir dachten seine Schulter war ausgekugelt. Ich bin mit umgeflogen und auf dem Boden mit dem Kopf aufgeschlagen. Ich habe gesagt, dass mir schlecht ist und was ich machen soll, wenn ich mich übergeben muss. Ich sollte rausgehen. Ich habe mich angelehnt und mich übergeben. Ich wurde in dem Moment von dem Polizisten befragt. Ja, ich habe schon was getrunken. Ich denke ich habe Wodka getrunken. Ich habe einen Atemalkoholtest gemacht. Es kam 1,6 ‰ raus. Ich war nett, bis ich befragt wurde als ich mich übergeben habe. Ich habe gesagt, dass er mich in Ruhe lassen soll, weil ich mich übergebe und sich alles dreht. Ich wurde in Handschellen gelegt und ans Auto gepresst. Das was dort gemacht wurde, war Machtmissbrauch.“ Er kiffe, um sein ADHS und chronische Schmerzen zu bekämpfen.
Als letztes Wort erklärte er: „Mir ist schon klar, dass ich was falsch machen und was ich falsch mache. Ich sehe nicht alles als kompletten Bullshit. Ich habe meine feste Meinung und bringe sie rüber. Ich habe schon darüber nachgedacht, was meine Eltern (...) mir gesagt haben. Ich mache es so, wie ich es für mich richtig finde. Es ist mein Leben und ich mache damit was ich will. Ich mache die Stunden. Ich habe meine (..letzten..) Stunden alle gemacht.“
Der Verurteilte war bereits siebenmal v.a. mit Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz und mit Beleidigungen strafrechtlich auffällig geworden und deswegen sechsmal vor dem Jugendgericht gestanden. Er hat bereits - auch stationäre – erzieherische und suchtbezogene Maßnahmen vielfach durchlaufen. Unerfüllt blieb die in einer früheren Verurteilung gegen ihn u.a. ergangene Weisung, mit seinem um ihn ersichtlich bemühten Vater eine Unternehmung zu machen, bei der der Sohn mit dem Vater einmal ein ruhiges Gespräch führen solle. Gegen ihn waren auch bereits mehrfach Jugendarreste verhängt und vollstreckt worden, ohne dass es dadurch zu Verhaltensänderungen gekommen wäre.
Der zuständige Jugendrichter begründete sein Urteil, in dem er weitgehend der Anregung der Jugendgerichtshilfe wie auch dem Antrag des Staatsanwalts gefolgt war, wie folgt:
„Nach Überzeugung des Gerichts war auf (..den bereits 19jährigen Heranwachsenden..) Jugendstrafrecht anzuwenden, da die Gesamtwürdigung seiner Person ergab, dass er einem Jugendlichen noch gleichsteht. (...) Der Angeklagte lebt noch zuhause bei den Eltern, besucht noch die Schule und ist von den Eltern wirtschaftlich abhängig. Er zeichnet sich darüber hinaus dadurch aus, dass er jugendtypisch davon überzeugt ist, sämtliche Lebensbereich bereits selbst kontrollieren und bestimmen zu können. So ist er überzeugt, dass er sowohl seinen Betäubungsmittelkonsum, als auch die Zeiten des Schulbesuches selbst bestimmen dürfe. Zugunsten des Angeklagten ist sein weitgehendes Geständnis zu berücksichtigen. Zulasten des Angeklagten sind seine Vorahndungen zu berücksichtigen sowie die Tatsache, dass er insgesamt drei Personen beleidigt hat. Die gesteigerte Aggressivität, die der Angeklagte bei der Tat gegenüber den Polizeibeamten gezeigt hat, macht es erzieherisch notwendig, dass der Angeklagte drei Beratungsgespräche (...) beim Stadtjugendamt führt. Im Hinblick auf die zahlreichen Vorahndungen des Angeklagten würde die Verhängung eines Zuchtmittels zu erwägen. Der Angeklagte, der in der Hauptverhandlung mehrfach äußerte, dass es ja offensichtlich nur Ziel der Verhandlung sei, seinen Willen zu brechen, war bereits in der Vergangenheit mehrfach im Arrest. Dies führte jedoch in keinem der Fälle dazu, dass er nicht mehr straffällig wurde oder entsprechende Weisungen nach einem Ungehorsamsarrest erfüllte. Aus diesem Grund entschied sich das Gericht, es bei 100 Stunden gemeinnütziger Arbeit als weitere Weisung zu belassen, trotz der wiederholten Straffälligkeit des Angeklagten keinen Arrest zu verhängen.“
Urteil des Amtsgerichts München vom 24.01.2019, Aktenzeichen 1023 Ds 461 Js 206844/18 jug
Das Urteil wurde nach allseitigem Rechtsmittelverzicht sogleich rechtskräftig.
Klaus-Peter Jüngst