Pressemitteilung 39 vom 20.05.2019
Falsche Handwerker
Die 86jährige Geschädigte öffnet heute niemandem mehr die Tür
Am 15.04.2019 verurteilte das zuständige Schöffengericht am Amtsgericht München einen 55jährigen ledigen arbeitslosen Braunschweiger wegen Diebstahls in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten.
Am 29.10.2018 gegen 10:30 Uhr bat der Verurteilte mit einem 25jährigen Komplizen eine alleinstehende 78jährige Geschädigte in Ingolstadt zur Gartentür herauszukommen. Es werde zu Lärmbelästigungen durch Arbeiten am Dach in der Nachbarschaft kommen. Er könne als Dachdecker auch einen Schaden am ihrem Dach erkennen. Während der Verurteilte mit der Geschädigten ein Reparaturangebot besprach, begab sich der Komplize zügig in das Dachgeschoss des Hauses. Dort machte er die Geschädigte, die ihm infolge einer Knieverletzung zeitversetzt gefolgt war, auf einen nassen Fleck am Boden aufmerksam, der von einer undichten Stelle am Dach herrühren sollte und bat sie um Putzutensilien. Auf dem Weg in den Keller begegnete die Geschädigte dem Verurteilten im Erdgeschoss, der Werkzeug, Mörtel und Eimer mit sich führte. Er verwickelte die Geschädigte abermals in ein Gespräch und bot eine Reparatur gegen Zahlung von 1.000 EUR an. In der Zwischenzeit entwendete der Komplize aus einer Schmuckschatulle im Schlafzimmer des Obergeschosses Schmuck im Wert von ca. 3.000 EUR. Nachdem der Komplize wieder zurückkam, übergab die Geschädigte an die beiden 600 EUR Vorschuss und verlangte eine Quittung. Nachdem sie ihr dies verweigert hatten, verließen die beiden zügig das Haus und entfernten sich.
Am 30.10.2018 gegen 10:30 Uhr verschaffte sich der Verurteilte mit dem Komplizen bei einer 86jährigen Geschädigten in München-Forstenried Zugang zum ersten Stock des Hauses mit der Behauptung, dass es in der nächsten Zeit etwas lauter werden könne, da am Nachbarhaus Reparaturarbeiten am Dach durchzuführen seien und hierzu auch etwas an ihrem Dach befestigt werden müsse. Dabei entwendete der Komplize aus dem Schlafzimmer Eheringe, Armbänder, Ketten und Uhren im Wert von ca. 5.000 EUR. Nachdem die Geschädigte Verdacht geschöpft hatte und über Notruf die Polizei alarmierte, flüchtete der Komplize zusammen mit dem Verurteilten, der sich schon mit dem Fluchtfahrzeug bereitgehalten hatte.
Der Angeklagte gab u.a. an: „Ich wollte den Schmuck verkaufen. Mir tut das auch sehr leid, dass wir der alten Dame Schaden zugefügt haben. Wir möchten uns bei ihr entschuldigen. Ich habe früher mal Drogen genommen und dann hatte ich eine große Herz-OP. Danach habe ich wieder angefangen. Ich habe Diabetes, bin von der Herz-OP sehr mitgenommen. Ich muss 11 Tabletten fürs Herz und fürs Blut nehmen. Ich habe schon 25 Jahre Diabetes, muss spritzen. Meine Augen sind angegriffen. Ein Auge ist kaputt. Vielleicht habe ich eine Chance, nach Hause in Haft zu kommen. Bevor ich verhaftet wurde, habe ich Kokain genommen und dafür hätte ich auch das Geld gebraucht. Es tut mir sehr leid. Wir fahren in der Gegend herum und schauen uns die Häuser an und dann haben wir uns eins ausgesucht. Es war reiner Zufall, dass es ältere Leute sind.“
Die 86-jährige Zeugin erklärte vor Gericht: „Mir geht’s recht ordentlich. Ich mache jetzt die Türe nicht mehr auf. Ich habe vor einem guten Jahr den Enkeltrickbetrug gehabt. Ein paar Tage vor dem Vorfall hatte ich einen falschen Polizisten am Telefon. Der Enkeltrickbetrug war am Telefon. Ich habe gleich die Polizei gerufen, da es mir komisch vorkam. Ich bin mit dem Nachbarn befreundet und ich hatte gedacht, dass er mir ja bestimmt was gesagt hätte."
Der bei den Tätern sichergestellte Schmuck konnte beiden Opfern zurückgegeben werden.
Die Vorsitzende Richterin wertete in der schriftlichen Urteilsbegründung „... zu seinen Gunsten das voll umfassende, glaubhafte Geständnis. Darüber hinaus war zu Gunsten des Angeklagten (...) zu werten, dass dieser sich im Rahmen der Hauptverhandlung bei der Geschädigten (...) entschuldigt hat sowie mit der formlosen Einziehung des sichergestellten Schmucks einverstanden war. Weiterhin sprach zu Gunsten des Angeklagten (...), dass er sich aufgrund seines Gesundheitszustandes als sehr haftempfindlich gezeigt hat. Ferner (...), dass er die Tat - jedenfalls nicht ausschließbar - unter einem gewissen Suchtdruck nach Kokain begangen hat. Zu Lasten des Angeklagten (...) war jedoch zu sehen, dass dieser bereits seit dem Jugendalter in erheblichem Umfang strafrechtlich in Erscheinung getreten ist.“ Das Strafregister enthält 23 Vorstrafen, darunter auch eine längere Haftstrafe „Zu Lasten des Angeklagten (...) war zudem zu werten, dass ein nicht unerheblicher Schaden entstanden ist. Darüber hinaus wurde hier insbesondere das Vertrauen (...) der beiden Geschädigten, die sich beide im deutlich fortgeschrittenen Alter befinden, ausgenutzt. Zu Lasten der Angeklagten musste auch gesehen werden, dass diese sich gezielt ältere Damen als Opfer aussuchten.“
Der Komplize, sein Schwiegersohn, wurde zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt.
Urteil des Amtsgerichts München vom 15.04.2019, Aktenzeichen 843 Ls 248 Js 206102/18
Das Urteil ist rechtskräftig
Klaus-Peter Jüngst