Pressemitteilung 8/2021 vom 30. November 2021
Amtsgericht Bayreuth urteilt im sog. „Kirchenasyl“-Verfahren
Mit Entscheidung vom 08. November 2021 hat das Amtsgericht Bayreuth den Angeklagten, der Pfarrer einer Kirchengemeinde ist, wegen Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt verurteilt und hierfür verwarnt. Zudem wurde eine Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 100 € für den Fall vorbehalten, dass der Angeklagte sich nicht bewährt. Schließlich muss er eine Geldauflage in Höhe von 1500 € an die Staatskasse zahlen.
Das Amtsgericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte dem anderweitig Verfolgten iranischen Staatsangehörigen S. in den Kirchenräumen Unterkunft und Verpflegung gewährt sowie ihn bei der Bewältigung von Behördenangelegenheiten unterstützt habe. Der anderweitig Verfolgte S. sei, nachdem sein Asylantrag nach einer Entscheidung des zuständigen Bayerischen Verwaltungsgerichts rechtskräftig als unzulässig abgelehnt worden sei, vollziehbar ausreisepflichtig gewesen. Um der Abschiebung zu entgehen, habe sich der anderweitig Verfolgte S. Mitte Januar 2021 in das Kirchenasyl begeben. Nachdem eine Härtefallprüfung zu keinem positiven Ergebnis geführt habe, habe der Angeklagte das Kirchenasyl wissentlich fortgesetzt, um zu verhindern, dass der anderweitig Verfolgte S. abgeschoben werde.
Der Angeklagte hat sich nach Auffassung des Amtsgerichts Bayreuth der Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt des anderweitig Verfolgten S. schuldig und strafbar gemacht. Das Amtsgericht begründete dies damit, dass Kirchenasyl kein in der geltenden Rechtsordnung anerkanntes Recht sei. Die Grundrechte würden durch den Staat garantiert werden, wozu auch die Gewährung staatlichen Asyls in seiner gesetzlich geregelten praktischen Anwendung gehöre. Niemand, auch nicht die Kirche oder sonstige gesellschaftliche Interessengruppen, könnten hier oder in anderen Bereichen außerhalb dieser Ordnung Sonderrechte für sich beanspruchen und etwa Asyl gewähren oder sonst Allgemeinverbindlichkeit für das beanspruchen, was jeweils gerade für richtig oder falsch erachtet werde. Es könne von diesen nicht bestimmt werden, was erlaubt sei und was nicht.
Würde man anderes zulassen, so wäre nach Auffassung des Amtsgerichts Bayreuth eine verfassungsrechtlich bedenkliche Ungleichbehandlung die Folge und ein Klima fehlender Rechtstreue geschaffen. Grundrechtsschranken würden ignoriert werden. Vielmehr würde nach Einschätzung des Amtsgerichts Bayreuth das Rechtsbewusstsein der Allgemeinheit und damit die öffentliche Ordnung als Grundlage des geordneten Zusammenlebens der Bürger in Freiheit beschädigt werden. Der Angeklagte würde seine eigene moralische Wertung über gesetzliche Vorschriften stellen. Dies habe zur Folge, dass der Angeklagte für sich ein Sonderrecht gegenüber allen anderen in Deutschland lebenden Personen deklarieren würde nach seinen eigenen persönlichen, weltanschaulichen und religiösen Motiven. Ein solches könne von der Rechtsordnung jedoch nicht akzeptiert werden. Grundsätzlich habe sich jeder an die Rechtsordnung zu halten, egal ob er diese für richtig oder falsch erachte.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, nachdem sowohl die Staatsanwaltschaft Bayreuth als auch der Angeklagte Berufung gegen das Urteil eingelegt haben.
(Aktenzeichen 3 Cs 241 Js 1888/21)