Pressemitteilung 19/2022 vom 30. September 2022
Forschungsprojekt „Sondergericht und Volksgerichtshof in Bayreuth“ - Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung zwischen der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns, dem Landgericht Bayreuth und der Universität Bayreuth
Im Rahmen des vom Landgericht Bayreuth initiierten Forschungsprojekts „Sondergericht und Volksgerichtshof in Bayreuth“ werden am
Dienstag, 11. Oktober 2022, um 10:30 Uhr im
Justizpalast Bayreuth, Wittelsbacherring 22, 95444 Bayreuth
Sitzungssaal 1.049 / 1. Obergeschoss
Dr. Bernhard Grau, der Generaldirektor der Staatlichen Archive Bayerns, Matthias Burghardt, der Präsident des Landgerichts Bayreuth und Prof. Dr. Bernd Kannowski, Universität Bayreuth, eine Kooperationsvereinbarung zur Nutzung und Auswertung des im Staatsarchiv Bamberg verwahrten Aktenbestandes unterzeichnen. Die Unterzeichnung findet an historischer Stelle statt, nämlich im ehemals als Sitzungssaal 100 bezeichneten Raum, in dem von Mitte 1942 bis April 1945 das Sondergericht Bayreuth tagte.
Ziel der Kooperation ist eine Auswertung des vorhandenen Archivmaterials in den Räumen des Landgerichts Bayreuth. Damit wird die komplexe Forschungsarbeit von Landgericht und Universität Bayreuth erheblich erleichtert, denn mit ihr soll nicht nur den Beschuldigten und Verurteilten ein Gesicht gegeben werden, sondern sie dient auch der Auswertung der Sondergerichtsurteile und der Erforschung der Biographien aller am Sondergericht tätigen Richter und Staatsanwälte. Die Ergebnisse und Zeitdokumente sollen der Öffentlichkeit sowohl im Bayreuther Justizpalast als auch in der Universität zugänglich gemacht werden. Die gewonnenen Daten sollen zudem in eine Datenbank eingespeist werden, im Staatsarchiv Bamberg archiviert und dort ebenfalls der Öffentlichkeit verfügbar gemacht werden.
Nach der Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung, zu dem die Vertreterinnen und Vertreter der Presse herzlich eingeladen sind, sowie Grußworten der beteiligten Kooperationspartner besteht die Möglichkeit für Fragen und O-Töne.
Mit Wirkung vom 20. Juni 1942 war bei dem Landgericht Bayreuth (für die LG-Bezirke Bayreuth und Hof) ein sog. Sondergericht gebildet worden. Sondergerichte in der NS-Zeit wurden insbesondere zur „raschen Erledigung“ bestimmter politischer Straftaten errichtet, die Beschuldigtenrechte waren dort stark eingeschränkt und die Urteile in der Regel nicht anfechtbar.
Das Bayreuther Sondergericht unter dem Vorsitz von Dr. Johann (Hans Willy) Schmitt (bis 07.02.1943) und des Landgerichtspräsidenten Rudolf Brehm (08.02.1943 bis Kriegsende) tagte im Sitzungssaal 100 des Bayreuther Justizpalastes. Hier wurden Verfahren gegen 255 Angeklagte durchgeführt, die in 14 Fällen mit der Verhängung der Todesstrafe endeten.
Nachdem am 3. Februar 1945 das Gebäude des Volksgerichtshofs in Berlin durch Bombardements zerstört worden war, wurde er auf Anordnung Hitlers nach Potsdam ausgelagert und die für Hoch- und Landesverrat zuständigen Senate nach Bayreuth verlegt. Dieser Teil der Geschichte des Volksgerichtshofs in Bayreuth ist bis heute weitgehend unbekannt, seine mögliche Tätigkeit in Bayreuth unerforscht geblieben.
Auch die Biographien der handelnden Richter und Staatsanwälte, die an Verfahren des Sondergerichts Bayreuth oder des in Bayreuth tagenden Volksgerichtshofs beteiligt waren, sind weitgehend unerforscht geblieben.
Bislang fehlt im und am Justizgebäude selbst jeder Hinweis und jede Information zu diesem wohl dunkelsten Kapitel Bayreuther Justizgeschichte.
Ziel des Projekts des Landgerichts ist deshalb vor allem die Erforschung der vollständigen Biographien aller bei dem Sondergericht Bayreuth und dem in Bayreuth tagenden Volksgerichtshof handelnden Richter und Staatsanwälte und damit der Hintergründe dafür, dass sich so viele deutsche Richter und Staatsanwälte so schnell und so umfassend von dem menschenverachtenden NS-Unrechtsregime vereinnahmen ließen und hieran aktiv mitwirkten. Außerdem soll die Frage beantwortet werden, ob und welche Konsequenzen das Handeln der Justizjuristen nach 1945 hatte.
Die gewonnenen Forschungsergebnisse sollen zugleich Basis der künftigen Öffentlichkeits- und Erinnerungsarbeit der Bayreuther Justiz sein, die auch diesen Teil der Justizgeschichte wachhalten möchte.