Historie des Gebäudes
Die Zeit vor 1871
Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts war die Gerichtsorganisation im Herzogtum Sachsen-Coburg wie in allen anderen deutschen Kleinstaaten stark zersplittert. Neben zahlreichen Stadt-, Vogtei- und Patrimonialgerichten gab es einige Zivilämter, die über Zivilrechtsstreitigkeiten entschieden. Lediglich bei dem Centamt Coburg war die Straf- und Zivilgerichtsbarkeit für einen Großteil des Landes gebündelt. In zweiter Instanz entschieden die Landesregierung bzw. das Hofgericht Coburg. Das im Jahre 1589 von Herzog Casimir gegründete Hofgericht Coburg war zugleich auch Sondergericht für Adlige. Es wurde 1648 nach Jena verlegt.
Reformversuche mit dem Ziel der Vereinheitlichung der Gerichtsbarkeit scheiterten am Widerstand der Städte und der Patrimonialgerichte.
In den Jahren 1801 bzw. 1807 wurden die Justizämter in Coburg, Neustadt und Rodach errichtet bzw. wiedererrichtet. Neben den altcoburgischen Justizämtern und dem Stadtgericht in Coburg sprachen unter coburgischer Landeshoheit unter anderem auch die Justizämter Themar und Saalfeld und die Stadtgerichte in Saalfeld und Pößneck Recht.
1826 fielen die Statdtgerichte Saalfeld und Pößneck an Sachsen-Meiningen und Coburg erhielt von Sachsen-Hildburghausen die Ämter Sonnefeld und Königsberg. Von 1826 bis 1879 wurde die Gerichtsbarkeit im Herzogtum Coburg von den Justizämtern Coburg, Neustadt, Rodach, Sonnefeld und Königsberg ausgeübt.
Bis zur Errichtung der Landratsämter übten die Justizämter nicht nur rechtsprechende Gewalt aus, sondern waren gleichzeitig auch Verwaltungsbehörden. Über Berufungen gegen die Sprüche der Justizämter entschied das Justizkollegium, eine Abteilung der Landesregierung. Als oberste Instanz in allen Zivilrechtsstreitigkeiten fungierte das zum 01.01.1817 auf der Grundlage des Staatsvertrages vom 08.10.1816 errichtete Gemeinschaftliche Oberappellationsgericht in Jena. Es bestand bis zum Inkrafttreten des Gerichtsverfassungsgesetzes im Jahr 1879.
Im Zuge der Revolution von 1848 wurden die Patrimonialgerichte abgeschafft. Die eintretende Liberalisierung Mitte des 19. Jahrhunderts wurde auch im Herzogtum Sachsen-Coburg spürbar. Dem Gedanken der Gewaltenteilung Rechnung tragend erfolgte per Gesetz zum 01.07.1858 die Trennung von Justiz und Verwaltung. Das Justizkollegium wurde aufgelöst. Seine Verwaltungsaufgaben wurden dem neu geschaffenen Landratsamt übertragen. Die Justizaufgaben übernahm das Kreisgericht. Daneben wurden eine neue Gerichtsorganisation und eine neue Strafprozessordnung eingeführt. Die vormals neben der staatlichen Gerichtsbarkeit bestehende städtische Gerichtsbarkeit wurde auf die staatlichen Gerichte übertragen. Das Kreisgericht war nun erstinstanzlich für alle Ordinarprozesse in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten sowie alle Ehesachen zuständig und als zweite Instanz für die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und gemäß § 10 der damaligen Strafprozeßordnung für Berufungen gegen die Urteile der Einzelrichter in Strafsachen.
1858 wurde beim Kreisgericht Coburg auch die Staatsanwaltschaft eingeführt, deren Aufgabe es war, bei Vergehen und Verbrechen vor dem gerichtlichen Verfahren entsprechende Ermittlungen durchzuführen.
Das Kreisgericht, die Staatsanwaltschaft und die beiden Justizämter, die 1840 durch die Aufteilung des ursprünglichen Justizamtes entstanden waren und mit den heutigen Amtsgerichten vergleichbar sind, waren 1858 im Coburger Regierungsgebäude am Markt, dem jetzigen Stadthaus, untergebracht. Ab dem 01.07.1862 war das Justizamt I vollumfänglich für die Stadt Coburg zuständig und das Justizamt II für den übrigen Amtsgerichtsbezirk Coburg.
Die Zeit von 1871 bis 1918
Nach der Gründung des Deutschen Reiches 1871 wurden 1877 die in ihrem wesentlichen Inhalt heute noch gültigen Gesetze wie die Zivilprozessordnung (ZPO), die Strafprozessordnung (StPO) und das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) erlassen. Nach dem GVG war nun für Zivilrechtstreitigkeiten mit erheblichem Streitwert und für Strafverfahren wegen schwerer Straftaten das Landgericht als erste Instanz zuständig. Gleichzeitig war das Landgericht als Berufungsinstanz für die Urteile der Amtsgerichte zuständig. Schon damals vorhandene Bestrebungen bezüglich der Errichtung eines eigenen Landgerichts für das Herzogtum Coburg scheiterten jedoch zunächst.
Am 17.10.1878 schlossen deshalb Preußen, Sachsen-Coburg und Gotha sowie Sachsen-Meiningen einen Staatsvertrag über die Gründung einer Gerichtsgemeinschaft für Sachsen-Coburg-Gotha und Sachsen-Meiningen sowie einzelne Gebietsteile von Preußen, der zeitgleich mit dem GVG am 01.10.1879 in Kraft trat. Er hatte unter anderem zum Inhalt, dass für die Herzoglich Sachsen-Meiningischen Kreise Meiningen, Hildburghausen und Sonneberg, die Königlich Preußischen Kreise Schleusingen und Schmalkalden und das Herzogtum Coburg ein gemeinschaftliches Landgericht mit Sitz in Meiningen errichtet werden sollte und dass beim Amtsgericht zu Coburg eine landgerichtliche Strafkammer für das Herzogtum Coburg und einige angrenzende Sachsen-Meiningische Amtsgerichtsbezirke gebildet werden sollten.
Quasi als Ausführungsgesetz zu diesem Staatsvertrag wurde für das Herzogtum Coburg am 07.04.1879 daraufhin das Gesetz, die Organisation der Justizbehörden erster Instanz betreffend erlassen. Durch dieses Gesetz wurden die vorhandenen Justizämter aufgehoben und durch Amtsgerichte ersetzt. Der Bezirk des Amtsgerichts Coburg umfasste den Bezirk der früheren Coburger Justizämter I und II, daneben bestanden die Gerichte in Neustadt, Rodach, Sonnefeld und Königsberg als Amtsgerichte fort. Zudem wurde zum 01.10.1879 in Coburg auch eine landgerichtliche Kammer für Handelssachen errichtet, die für das gesamte Herzogtum Coburg zuständig war.
Mit dem Inkrafttreten des GVG wurde das Oberappellationsgericht in Jena aufgelöst und durch das Oberlandesgericht Jena ersetzt. Letzte Instanz war das Reichsgericht.
Die Zeit nach dem ersten Weltkrieg bis zum Ende des zweiten Weltkrieges
Nach der Niederlage des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg und der Ausrufung der deutschen Republik am 08.11.1918 übernahm auch in Coburg ein Arbeiter- und Soldatenrat die Herrschaft. Am 14.11.1918 verzichtete Herzog Carl Eduard vor dem Landtag auf die weitere Regierung. Am 10.03.1919 wurde durch die gewählte Landesversammlung eine provisorische Coburger Verfassung verabschiedet. Der nun entstandene Freistaat Coburg konnte jedoch alleine nicht dauerhaft existieren. Am 14.02.1920 wurde deshalb ein Staatsvertrag zwischen dem Freistaat Bayern und dem Freistaat Coburg über die Vereinigung beider Staaten geschlossen, wonach die Staatshoheitsrechte über das Gebiet von Coburg mit der Vereinigung auf Bayern übergehen sollten. Die Vereinigung der beiden Staaten trat dann am 01.07.1920 in Kraft. Coburg hatte bei dieser Vereinigung insbesondere auf die Wahrung seines kulturellen Besitzstandes gedrungen. Der Staatsvertrag sah deshalb auch vor, dass ein vollständiger Landgerichtsbezirk Coburg unter Zuteilung bayerischer Amtsgerichtsbezirke errichtet werden soll und die Amtsgerichte Coburg, Neustadt, Rodach und Sonnefeld bestehen bleiben. In diesem Zusammenhang erwies sich allerdings die bestehende Gerichtsgemeinschaft mit Thüringen und Preußen als problematisch. Preußen stimmte zwar der Aufhebung der Gerichtsgemeinschaft zu, aber Thüringen und hier insbesondere der Freistaat Meiningen widersprachen der beabsichtigten Aufhebung vehement, um den Bestand des Landgerichtes in Meiningen zu sichern. Im Februar 1921 einigten sich die beteiligten Staaten schließlich über die Aufhebung der Gerichtsgemeinschaft, nicht zuletzt wegen des erheblichen finanziellen Entgegenkommens des Freistaates Bayern. Noch problematischer gestaltete sich die Zuteilung bayerischer Amtsgerichtsbezirke an das zu gründende Landgericht Coburg. Insbesondere in Kronach, Lichtenfels und Bamberg wurden gegen diesbezügliche Pläne heftige Proteste seitens der Bürger, der Stadträte und der Anwaltskammer erhoben. Auch die Angehörigen der betroffenen Gerichte waren gegen eine derartige Trennung von Bamberg. Die Landgerichtsfrage führte auch im bayerischen Landtag zu heftigen Debatten. Ende des Jahres 1920 wurde das Gesetz über die Errichtung eines Landgerichts in Coburg trotzdem mit knapper Mehrheit verabschiedet.
Das neu gegründete Landgericht Coburg wurde am 01.04.1921 feierlich eröffnet. Das Landgericht wurde in dem zwischen 1835 1840 vor dem Ketschentor durch Herzog Ernst I. errichteten Neurenaissancebau untergebracht. Das Gebäude war ursprünglich für das durch Herzog Ernst I. gegründete Augustenstift zur Erziehung und Ausbildung armer Mädchen errichtet worden. Über die Jahre wurde es allerdings für vielfältige, andere Zwecke genutzt. Ab 1879 war das Gebäude der Sitz des Herzoglichen Staatsministeriums und ab 1880 auch Tagungsgebäude des Coburger Landtags. Nach der Auflösung des Staatsministeriums aufgrund der Vereinigung mit Bayern wurde es nun zum Sitz des Landgerichts Coburg.
Über die Geschichte der Coburger Justizbehörden in der Weimarer Zeit und der NS-Zeit ist nahezu nichts bekannt. Grund hierfür ist insbesondere der durch Phosphorbomben verursachte Brand des Landgerichtsgebäudes am 10.04.1945, bei dem sämtliche Akten der Justizbehörden verbrannten und das Landgerichtsgebäude nahezu vollständig zerstört wurde.
Als die Justiz wieder zu arbeiten begann, wurde das Amtsgericht notdürftig in den Dachgeschossräumen des aus dem 16. Jahrhundert stammenden ehemaligen Regierungsgebäudes am Markt, des jetzigen Stadthauses, untergebracht. Da diese Räume nicht auch noch das Landgericht aufnehmen konnten, wurden für dessen Dienstbetrieb und die Staatsanwaltschaft im Januar 1947 Diensträume im Gebäude der herzoglichen Vermögensverwaltung in der Elsässer Straße 9 angemietet. Weil auch diese Räume nicht ausreichten, insbesondere ohne Sitzungssaal waren, wurden 1949 im früheren Hotel "Reichsgraf" in der Bahnhofstraße 39 weitere Räume für die Staatsanwaltschaft gemietet. Im ehemaligen Speisesaal des Hotels fanden die Sitzungen des Schwurgerichts und der großen Strafkammer statt.
Das neue Justizgebäude
Aufgrund der unzulänglichen Raumverhältnisse, der nun dezentralen Lage des Landgerichts und der unvorteilhaften räumlichen Trennung von Amts- und Landgericht wurde trotz der Knappheit finanzieller Mittel zunehmend die Idee der Errichtung eines neuen Justizgebäudes befürwortet, in dem alle drei Justizbehörden Platz fänden.
Am 24.01.1951 beauftragte das Staatsministerium der Justiz die zuständige Baubehörde mit der Erstellung der Baupläne und der Kostenvoranschläge für ein neues, zentrales Gerichtsgebäude. Als Standort wurde der Platz gewählt, auf dem bereits das alte Landgerichtsgebäude gestanden hatte. Aus Platzgründen musste allerdings der ursprüngliche Plan, dort auch ein Gefängnis zu errichten, aufgegeben werden. Bereits am 23.10.1953 wurde das Richtfest gefeiert, obwohl das sumpfige Gelände die Bauarbeiten schwierig gestaltet hatte. Im April 1954 bezog die Staatsanwaltschaft vorzeitig die Räume im Erdgeschoss des noch nicht fertiggestellten Baues, da sie ihre bisherigen Räumlichkeiten aufgeben musste.
Ein Jahr später zog auch das Landgericht in das neue Gebäude ein. Das Amtsgericht konnte zunächst nur mit der Strafabteilung und dem Registergericht aufgenommen werden.
In einem zweiten Bauabschnitt wurde das Nebengebäude mit Atrium errichtet. Das Richtfest wurde am 16.09.1956 gefeiert und im September 1956 konnten auch die übrigen Abteilungen des Amtsgerichtes in das neue Justizgebäude einziehen. Das neue Justizgebäude wurde schließlich am 23.03.1957 feierlich eingeweiht.
Damit waren seinerzeit die Coburger Justizbehörden unter einem Dach vereint.
(Quelle: Broschüre 75 Jahre Landgericht Coburg)
Ein stetig wachsender Geschäftsanfall und die Errichtung eines für ganz Bayern zuständigen Mahngerichtes in Coburg machten jedoch in der Folgezeit eine Auslagerung einzelner Abteilungen erforderlich. So sind heute das Zentrale Mahngericht, das Grundbuchamt, das Insolvenzgericht, das Nachlassgericht, das Vormundschaftsgericht und die Dienststelle der Bewährungshilfe im Justizgebäude II, Heiligkreuzstr. 22, untergebracht.
In der zweiten Hälfte der 90iger Jahre erlebte das Justizgebäude eine umfangreiche Baumaßnahme: Sämtliche bisher im gesamten Haus verteilten Sitzungssäle wurden zentral in das Seitengebäude verlegt. Dies erleichtert erheblich ein schnelles Auffinden der Sitzungssäle für Prozessbeteiligte und Publikum.
Im Rahmen einer weiteren Maßnahme wurde auch der Schwurgerichtssaal grundlegend renoviert und - insbesondere in technischer Hinsicht - neu ausgestattet. Unter anderem wurde eine aufwändige Bild-Ton-Übertragungsanlage eingerichtet. Mit dieser kann die Vernehmung von Zeugen per Kamera in einem Vernehmungszimmer aufgenommen und live auf Monitore für alle Prozessbeteiligten in den Sitzungssaal übertragen werden. Äußerungen von Prozessbeteiligten können wiederum an deren Platz aufgenommen und in das Vernehmungszimmer übertragen werden. Auf diese Weise ist es möglich, Zeugen während der laufenden Verhandlung in einem Raum außerhalb des Sitzungssaales zu vernehmen und dadurch dem Opferschutz besondere Geltung zu verschaffen.