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Oberlandesgericht München

Oberlandesgericht München

Historie des Gebäudes

Baugeschichte

In der Denkschrift "Das Neue Justizgebäude an der Luitpoldstraße in München", herausgegeben von Prof. Dr. Friedrich von Thiersch im Jahre 1908 berichtet der Autor über den damaligen Neubau des Justizgebäudes. Nachstehend wird hieraus ein Artikel in der damaligen Schreibweise wiedergegeben:

Schon kurze Zeit nachdem der im Jahre 1897 vollendete Justizpalast seiner Bestimmung übergeben worden war, mußten auch sämtliche, für spätere Erweiterung der Behörden vorgesehene Reserveräume in Benützung genommen werden, und bald darauf trat die Notwendigkeit unabweisbar zu Tage, angesichts des ungeahnt raschen Anwachsens der Münchner Justizbehörden auf Beschaffung weiterer Amtsräume und zwar im Interesse des Dienstbetriebes, in möglichster Nähe der Zentrale bedacht zu sein. Günstige Gelegenheit 
bot sich hierzu durch Ankauf des an der Westseite des Justizpalastes gelegenen, ziemlich umfangreichen Häuserblockes, nach dessen Niederlegung ein neues selbständiges Gebäude errichtet werden sollte.

Bildergalerie

Baubeschreibung

Wahl der Stilform
Dem Verfasser war die Aufgabe gestellt, neben seiner ersten Schöpfung, dem Justizpalaste, einen Erweiterungsbau erstehen zu lassen, zu welchem mit Finanzgesetz vom 3. April 1903 1.666.000 Mark bewilligt worden waren. Der nächstliegende Gedanke, die äußere Gestaltung des Neubaues in der Formensprache und dem Material des Justizpalastes durchzuführen, mußte angesichts der äußerst geringen Baumittel von vornherein aufgegeben werden. Ein Ersatz der Hausteinbehandlung durch Putzarchitektur hätte einerseits der Bedeutung des Neubaues nicht entsprochen, andererseits dem Gebäude den Charakter der billigen Herstellung aufgeprägt; auch lag durchaus kein zwingender Grund vor, eine wenn auch in einfacheren Formen gegebene Nachahmung des Justizpalastes zu bieten, so daß der Entschluß reifte, den Neubau als völlig selbständiges Objekt zu behandeln um ihm einen Ausdruck zu verleihen, der vergleichende Betrachtungen mit dem Palaste nicht zuließ. Dieser Gedanke war auch durch die Überlegungen gestützt, daß ein Privatbau an dieser Stelle keinerlei Beziehungen zum Justizpalast gesucht haben würde, da er einerseits an Originalität eingebüßt hätte, andererseits durch die Wiederholung der Formen des Palastes der Eindruck des Langweiligen und Eintönigen unvermeidlich geworden wäre. Es fiel somit die Wahl auf eine, von der des Palastes vollkommen abweichende, zeitlich frühere Stilart, die etwa der ausklingenden Gotik unserer heimischen Bauweise entspricht, und die Vorbedingung in sich trug, durch lebhafte Umrißausbildung aus den stillosen und toten Baumassen der umliegenden Privatgebäude den Neubau vorteilhaft heraustreten zu lassen.


Dem Verfasser wurde namentlich hinsichtlich der Stilwahl und der farbigen Behandlung des Neubaues nicht nur von Laien, sondern auch aus technischen Kreisen der Vorwurf gemacht, er habe hiermit seinem eigenen Werk, dem Justizpalast, schweren Schaden zugefügt; derselbe sei durch die lebhafte Färbung seines neuen Nachbars in seiner ruhigen Wirkung gestört, und seine Kuppelform verliere sehr durch das sie flankierende Turmpaar des Neubaues; außerdem fehle jeder äußerliche Zusammenhang beider Gebäude.
Abgesehen davon, daß letzere Forderung sich schon aus Gründen der Ästhetik verbot, war es das Bestreben des Verfassers, die beiden Baugruppen in angenehmen Gegensatz zu einander zu bringen, und jeder derselben ihre Selbständigkeit zu wahren. Die jetzt noch überkräftige Farbenwirkung wird, wenn der Lauf der Zeit und die rußgeschwängerte Atmosphäre das ihrige beigetragen haben werden, zweifellos das Gesamtbild beider Bauten nur heben.



Der Grundriß
Der ganze nach der Südnordrichtung symmetrisch angelegte Grundriß läßt sich einem Rechteck einschreiben, welches zwischen den Ecken der Risalite die Abmessungen von 86,0 bzw. 48,0 m hat. An den Langseiten treten die Fronten hinter die je 18,10 m breiten Eckrisalite um 0,75 m zurück, welch letzteren noch um das gleiche Maß vorspringende 7 m breite Erkerbauten vorgelagert sind. Die beiden Höfe, welche durch einen 18 m breiten, zur Gebäudemasse querliegenden Trakt von einander getrennt sind, besitzen geradlinige Umgrenzungen in den Abmaßen von 16 auf 24 m. Von dem benachbarten Palaste ist der Neubau um 23 m abgerückt.



Die Gliederung der Baumasse
Die gesamte, vier Geschoßhöhen umfassende Baumasse gliedert sich in zwei an den Kurzfronten liegende Trakte mit mäßig hoch entwickelten Treppenhaustürmen und an den Kopfenden aufragenden Giebeln. Diese Trakte sind unter sich mit schmäleren Rücklagen verbunden, welche ihrerseits einen in Eisen konstruierten Registraturtrakt einschließen. Die Diensträume sowie die Korridore sind mit direktem Seitenlicht versehen, nur in den zweireihig bebauten Kurzfronten erhalten die Gänge ihre Beleuchtung aus den im Mittel angeordneten Treppenhäusern.



Verkehrs- und Diensträume
Die Hauptverkehrsrichtung liegt in der südnördlich verlaufenden Längsachse des Baues und wird an ihren Enden durch die beiden Treppenhäuser in die oberen Geschosse übertragen. Ein kleines auf der Ostseite liegendes und nur auf Erdgeschoßhöhe führendes Treppenhaus vermittelt im Verein mit dem Westtreppenhaus des Justizpalastes den inneren Verkehr zwischen beiden Gebäuden. Die zwei Haupttreppen führen vom Keller bis ins vierte Obergeschoß und tragen 2,3 m breite auf flachen freitragenden Gewölben ruhende Läufe aus Granit; nach oben sind dieselben mit weitgespannten Muldengewölben abgeschlossen. Die Dachböden und Turmhelme sind auf einfachen hölzernen Nebentreppen zugänglich gemacht.

Den Verkehr in den einzelnen Geschossen selbst vermitteln 2,5 m breite gewölbte Gänge.
Für Bedürfnisanstalten ist im Bau derart Vorsorge getroffen, daß in jedem Stockwerke an den vier inneren Ecken der Gangläufe je eine Anlage mit Klosets, Urinalen und Waschbecken ausgestattet wurde. Jede dieser Stockwerksgruppen zerfällt in zwei dem öffentlichen Verkehr und zwei den Beamten und Bediensteten bestimmte Anlagen. Außerdem finden sich noch in den Gängen jedes Geschosses vier öffentliche Brunnen.
Besonderer Wert wurde auf größtmögliche Lichtzufuhr für Dienst- und Verkehrsräume gelegt und den Fenstern durchschnittlich 8 qm Lichtfläche zugemessen; es wurde hierdurch eine sehr günstige gleichmäßige Raumerhellung erzielt.

Was die Verteilung der Raumgruppen im Gebäude betrifft, so sei vorausgeschickt, daß der größte Teil derselben dem aus dem Justizpalast herüberverlegten Amtsgericht München I Abteilung A für Zivilsachen zufiel. Die Disposition ist folgende:
Im Unterbau befinden sich ausgedehnte Versteigerungs- und Verwahrungsräume für die Gerichtsvollzieherei genannten Gerichtes.
Im Erdgeschoß ist die westliche Hälfte dem Grundbuch- und Hypothekenamt, die östliche Hälfte dem Vormundschafts- und Verlassenschaftswesen zugeteilt.
Der erste Stock beherbergt östlich das Rechtshilfegericht und die freiwillige Gerichtsbarkeit, westlich einen Teil der nunmehr verstaatlichten Gerichtsvollzieherei.
Der zweite Stock umfaßt westlich den zweiten Teil der Gerichtsvollzieherei, östlich das Stadtrentamt München IV, welches vorzugsweise mit dem Gerichtskostenwesen betraut ist.

Im dritten Stock ist das Oberste Landesgericht mit Oberstaatsanwaltschaft und Generalstaatsanwaltschaft, welche früher im Wilhelminum ihren Amtssitz hatten, untergebracht.
Der zentral gelegene Registraturbau dient im Erd- und ersten Obergeschoß dem Amtsgericht, im zweiten Obergeschoß als Sammelarchiv für die Urkunden der Notariate Münchens und im dritten Stock als Bibliothek des Obersten Landesgerichtes.
Außer vorgenannten Diensträumen finden sich im Neubau noch je vier Dienstwohnungen im Unterbau und im Dachgeschoß für die Maschinisten und Hausmeister, sowie eine in der Südostecke des dritten Obergeschosses liegende Dienstwohnung der Hausverwaltung. Die für die Gebäudeheizung nötigen, im Unterbau des Registraturtraktes untergebrachten Räume ergänzen die Gruppenverteilung.