Pressemitteilung 06 vom 14.09.23
Anklageerhebung gegen einen Triebfahrzeugführer im Zusammenhang mit der Kollision zweier S-Bahnen bei Schäftlarn
Die Staatsanwaltschaft München I hat mit Anklageschrift vom 29.08.23 gegen den Triebfahrzeugführer, der eine der beiden beteiligten S-Bahnen führte, Anklage zum Amtsgericht München – Schöffengericht erhoben. Dem Angeschuldigten wird vorsätzliche Gefährdung des Bahnverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit 51 tateinheitlichen Fällen der fahrlässigen Körperverletzung zur Last gelegt.
Es wurden umfangreiche und zeitintensive Ermittlungen durchgeführt. Insbesondere wurde noch in der Nacht nach dem Vorfall ein auf Bahnunfälle spezialisierter deutschlandweit gefragter Sachverständiger mit der Erstellung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens beauftragt. Aufgrund der Komplexität des Vorfalls nahm die Fertigstellung des Gutachtens über ein Jahr in Anspruch.
Nach Abschluss der Ermittlungen geht die Staatsanwaltschaft von folgendem, vor Gericht noch zu beweisenden Sachverhalt aus:
Am 14.02.22 gegen 16:24 Uhr fuhr der Angeschuldigte als Triebfahrzeugführer mit einer S-Bahn der Linie 7 von Wolfratshausen in Richtung München. Eine weitere S-Bahn befuhr dieselbe Strecke in entgegenkommender Richtung. In beiden S-Bahnen befand sich eine Vielzahl an Fahrgästen. Bei der Anfahrt auf den Bahnhof Ebenhausen-Schäftlarn wurde die von dem Angeschuldigten geführte S-Bahn aufgrund der Überschreitung der Überwachungsgeschwindigkeit zwangsweise abgebremst. Über diese Zwangsbremsung setzte sich der Angeschuldigte pflichtwidrig hinweg und fuhr in den Bahnhof ein.Bei der Ausfahrt aus dem Bahnhof fuhr der Angeschuldigte ebenfalls pflichtwidrig an einem Halt zeigenden Ausfahrsignal vorbei. Der Zug wurde daraufhin durch eine erneute Zwangsbremsung bis zum Stillstand abgebremst. Obwohl der Angeschuldigte nach dieser Zwangsbremsung einen schriftlichen Befehl des Fahrdienstleisters für die Weiterfahrt hätte einholen müssen, fuhr er aus dem S-Bahnhof Ebenhausen-Schäftlarn aus und beschleunigte den Zug auf eine Geschwindigkeit von etwa 67 km/h.
Die auf der eingleisigen Strecke entgegenkommende S-Bahn wurde aufgrund des Überfahrens des Halt zeigenden Ausfahrsignals durch den Angeschuldigten ihrerseits zwangsweise abgebremst und blieb auf der Strecke somit stehen. Als der Angeschuldigte die stehende andere S-Bahn erblickte, leitete er eine Schnellbremsung ein, es kam jedoch dennoch zur Kollision. Ein damals 24-jähriger afghanischer Fahrgast verstarb aufgrund der bei der Kollision erlittenen schwersten Verletzungen, 51 Personen, die sich in den beiden S-Bahnen befanden, wurden teilweise schwer verletzt. Daneben entstand ein Sachschaden in Höhe von etwa 7 Millionen Euro.
Hinweis: Nach den Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren (Nr. 23 Abs. 2 RiStBV) darf eine Anklageerhebung der Presse erst dann bekannt gegeben werden, wenn die Anklageschrift einem Angeschuldigten bzw. dessen Verteidigung nachweislich zugegangen ist. Über die Eröffnung der einzelnen Hauptverfahren und damit über eine mögliche Terminierung von Hauptverhandlungen hat das Amtsgericht München zu entscheiden.
gez. Juliane Grotz
Staatsanwältin als Gruppenleiterin
Stellvertretende Pressesprecherin