Amtsgericht Neu-Ulm
13.10.2010

Merk: Zugriff auf Vorratsdaten auch bei schweren Straftaten nur bei Speicherungspflicht möglich - Aussagen der Bundesjustizministerin sind realitätsfremd

Bayerns Justiz- und Verbraucherministerin Dr. Beate Merk ist irritiert über die Aussage der Bundesjustizministerin, die Ermittlungsbehörden könnten gerade bei schweren Straftaten auch nach dem Urteil aus Karlsruhe auf Telekommunikationsdaten zugreifen und zwar auch im Falle von so genannten Internet-Flatrates.

Merk: "Frau Leutheusser-Schnarrenberger übersieht, dass wir dort nichts holen können, wo nichts ist. Ein Zugriff auf Verkehrsdaten geht doch ins Leere, wenn diese Daten gar nicht gespeichert sind. Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2010 sind die Diensteanbieter und Netzbetreiber mangels gesetzlicher Grundlage dazu nicht mehr verpflichtet. Damit ist es nur vom Zufall abhängig, ob diese Daten gespeichert werden. Die Sicherheit unserer Bevölkerung und die Bekämpfung der Kriminalität dürfen aber nicht vom Zufall abhängig sein. Deutschland ist schließlich ein Rechtsstaat."

Die Auskunftsersuchen der Staatsanwaltschaften gehen bei Diensteanbietern und Netzbetreibern häufig ins Leere. Zahlreiche Netzbetreiber/Diensteanbieter speichern die Verkehrsdaten nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr. Bei Internet-Flatrates besteht im übrigen auf der Basis der datenschutzrechtlichen Vorschriften des Telekommunikationsgesetzes grundsätzlich auch nur eine Speicherbefugnis von 7 Tagen.

Merk: "Wir brauchen daher dringend eine neue gesetzliche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung. Denn nur eine Verpflichtung der Anbieter zur Speicherung der Verkehrsdaten ermöglicht einen Zugriff auf die Verkehrsdaten von Straftätern. Täter, die sich die Anonymität des Internets zunutze machen, können wir ohne Speicherungspflicht nicht ermitteln. Damit fehlt bei der Bekämpfung von Kinderpornografie ein wirksames Instrument. Denn nur bei einer Speicherung können wir dynamische IP-Adressen dem Inhaber des Anschlusses, von dem aus Straftaten begangen werden, zuordnen."

Merk weiter: "Mir ist auch nicht klar, warum die Bundesjustizministerin jetzt mit dem Kompromissvorschlag eines Quick-Freeze-Verfahrens kommt. Dass dieses Verfahren keine sachgerechte Alternative ist, hat im Übrigen schon das BVerfG in der genannten Entscheidung ausdrücklich festgestellt.* Denn auch damit können keine Daten erfasst werden, die von den Netzbetreibern/Diensteanbietern nicht gespeichert sind. Was nicht gespeichert ist, kann auch nicht im Wege des Quick-Freeze gesichert werden."

  

* vgl. BVerfG  vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08 u.a. - (Rn. 208): "Der Gesetzgeber darf eine sechsmonatige Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten auch als erforderlich beurteilen. Weniger einschneidende Mittel, die ebenso weit reichende Aufklärungsmaßnahmen ermöglichen, sind nicht ersichtlich. Eine vergleichbar effektive Aufklärungsmöglichkeit liegt insbesondere nicht im sogenannten Quick-Freezing-Verfahren, bei dem an die Stelle der anlasslos-generellen Speicherung der Telekommunikationsdaten eine Speicherung nur im Einzelfall und erst zu dem Zeitpunkt angeordnet wird, zu dem dazu etwa wegen eines bestimmten Tatverdachts konkreter Anlass besteht. Ein solches Verfahren, das Daten aus der Zeit vor der Anordnung ihrer Speicherung nur erfassen kann, soweit sie noch vorhanden sind, ist nicht ebenso wirksam wie eine kontinuierliche Speicherung, die das Vorhandensein eines vollständigen Datenbestandes für die letzten sechs Monate gewährleistet."

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